Aus dem Vorwort zur „Neuen böhmischen Chronik“:
„Die alten Weisen pflegten zu sagen, dass Völker, die sich der alten Geschichte nicht bewusst sind und denen Chroniken unbekannt sind, Kinder bleiben. Andere hingegen beweisen, dass die Geschichte der Beginn und Grund volksverbundener Weisheit und Vorausschau, das Licht der Wahrheit, des Lebens Gewissen, Meisterin des Lebens und Botschafterin längst vergangener Dinge ist. Sicher kann aber der Mensch, welcher das Wissen um vergangene Dinge erwarb, viel leichter über gegenwärtige Dinge urteilen und sich vor zukünftigen und bevorstehenden Dingen schützen, als der, der sich nur der Dinge bewusst ist, die um ihn herum geschehen. Franz Martin Pelzel
BESIEDLUNG VON REICHENAU UND STIEBNITZ
Die Grundherrschaft Reichenau ist wohl die älteste des Adlergebirges. Ihre Gründung hängt zusammen mit dem Namen Dürrenholtz, ein Adelsgeschlecht, den Przemysliden noch vor deren Königskrönung verbunden und dann von diesen mit dem reichen Grundbesitz der Herrschaft Reichenau im Adlergebirge ausgestattet. Unter deren Herrschaft wurden die Städte Senftenberg und Wildenschwerdt (Wilhelmswarte?) gegründet. Reichenau an der Kneschna war eine deutsche Siedlergründung, entstanden nach der Freigabe des Markwaldes als Siedlungsgebiet. Der Name Kneschna entstand aus germanischer Wortbildung, abgeleitet aus Chniwena (der Kniefluß); das Flußknie bezeichnet den Ort der Stadtgründung.
Als Dank an die Przemysliden für die Übereignung der Herrschaft Reichenau änderte das Geschlecht seinen Namen und wird in der Lokalgeschichte als „die Herren von Reichenau“ (tschechisch: k Rychnow – zu Reichenau) geführt. Wieweit sich ein deutscher und ein tschechischer Anteil in diesem Hause mischte, bleibt unbekannt; ebenso lassen die Chroniken seinen Anteil am gräflich-schlesischen Besitz um Glatz im Dunkel, und bis heute bleibt ebenfalls ungeklärt, ob Verwandtschaftsbeziehungen zu den glätzischen Rachnauern bestehen.
Die beiden Herren von Reichenau und ihre Nachfolger haben als Anhänger des Böhmenkönigs den religiösen Bekenntniswandel in der Hussitenzeit mitgemacht, Stadt und Gutsherrschaft wurde von den Hussiten erobert. Sie wurden ab dem 15. Jahrhundert Plätze mit starker tschechischer Mehrheit.
Ab 1497 war die reichste Herrschaft des Adlergebirges so weit in den Bankrott gewirtschaftet, dass sie unter den Hammer kam und an Herrn Wilhelm von Perstein verpfändet werden musste. Seine Verwaltung zeichnete sich durch Toleranz, menschliches Entgegenkommen und vor allem durch wirtschaftliche Klugheit aus. Sie verbesserte die Lebensbedingungen der Menschen bis in die untersten Kreise. Sein Enkel Jaroslaw wurde bekannt als der Vertreiber der Böhmischen Brüdergemeinde aus Kunwald und von allen ihren Gütern. An deren Stelle wurden deutsche Siedler ins Land gerufen, und deutsche Mehrheiten bevölkerten die verlassenen Dörfer.
Dem neuen Grundherrn verdankt die Herrschaft die Anlage und die Förderung der Glashütten (am Mauschwitzbach), die später nach Herrenfeld verlegt und in ein Sägewerk umgewandelt wurde. Ab 1550 beginnt die Anwerbung der Holzknappen aus dem Aupatal und später von anderen aus Tirol, die unter der Anweisung des Oberstberghauptmanns Christov von Gendorf auf Hohenelbe Flözereien einrichten und den Holzbedarf für die Kuttenberger Silberbergwerke heranschaffen sollten.
Sein Nachfolger war der Herzog Ernst, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Ober- und Niederbayern, der außerdem auch Pfandbesitzer der Grafschaft Glatz war. Reichenau wurde von ihm nur besuchsweise verwaltet, doch zählt es zu seinen Verdiensten, dass er Siedler aus Schlesien heranführte, mit deren Mehrheiten auch die deutsche Sprache wieder in die Verwaltung kam.
Die Herrschaft des Herzogs dauerte nur vier Jahre. Ab 1560 ging Reichenau wiederum in den Besitz der Habsburger über, die Kaiser Ferdinand I, Maximilian II. und Rudolf II. richteten hier ihr Montangut ein und setzten sich damit in den Besitz reicher Waldbestände und ertragreicher Ländereien.
Im Jahre 1577 wird Reichenau von Kaiser Rudolf II. für 13.500 Schock böhmischer Groschen an den Unterkämmerer Burjan Trtschka von Liepa (Leype) auf Swietla (Opotschno) verkauft, der Kaiser behielt sich jedoch das Eigentum „an den Wäldern und dem Holze“ zwischen den Flüssen, der Boden gehörte jedoch zur Grundherrschaft, die „kaiserliches Reservatgut“ blieb. Die in Groß Stiebnitz und Ritschka siedelnden Holzknappen waren „Kaiserliche Freie“, gehörend zu Kuttenberg und gesessen auf dem Grund der Reichenauer Herrschaft“ (F. Kühn, Gemeindechronik Ritschka, TB 1993, S. 35).
Unter der Herrschaft des ersten Trtschka fand der Protestantismus Eingang in die Region (1578), die rokitnitzer Hinterkirche wurde lutherisches Bethaus, in den Reichenauer Bergen und in der Herrschaft Tschernikowitz lebten die strengsten Bekenner.
Die Gegenreformation beendete hier ebenfalls die weltliche Herrschaft, sie war mit der böhmischen Krone verbündet. Kaiser Ferdinand III. verkaufte sie 1640 an den Grafen Albert Libsteinsky von Kolowrat, Vizekanzler von Böhmen und stammend aus einer Nebenlinie des Hauses, um 190.000 rheinische Gulden, ausgenommen die kaiserlichen Reservatbereiche, deren Bewohner unter einem kaiserlichen Verwalter dienten. Der Name des Ortes Ritschka ist noch 1654 tschechisch als „Rička“ im Landeskataster (der Steuerrolle) eingetragen, obzwar die Siedler Deutsche waren.
Allein der Waldbesitz der Herrschaft Reichenau umfasste die vier Reviere: Stiebnitz, Ritschka, Schwarzwasser und Deschnei und dazu noch das Gehege Rehberg. Das kultivierte Ackerland von 2000 ha lag auf Protektoratsgebiet sein Wert drückt sich in einer hohen Bonitätsklasse aus, die Waldfläche, fast ausschließlich auf damaligem Reichsgebiet gelegen, umfasste 4200 ha. Der Gesamtbesitz von 6200 ha blieb in den Händen des Grundherrn.
Waldfläche im Adlergebirge
Schwere und nicht wieder ersetzbare ethnische Verluste hatte das Vorland des unteren Adlergebirges zu verkraften. Verschiedene Orte verödeten, die Dörfer Böhmisch Petersdorf und Linsdorf hatten den deutschen Siedlerteil zwar nicht ganz verloren, mussten aber mit einer tschechischen Minderheit bis in die Gegenwart leben. Die Landschaft um Grulich konnte ihre Verluste dagegen schnell aufbessern, da der sich dort entwickelnde Bergbau viele Neusiedler anlockte. Um aus den Holzreserven ein Wirtschaftsgut zu machen und den Bergbau einen kräftigen Anschub zu geben, sandte der Wiener Hof 1575 Tiroler Berg- und Holzknappen auf das kaiserliche Montangut. Der Bergbau Kuttenbergs bedurfte des Holznachschubs zur Ausbeute seiner Silberadern, die das Rohmaterial für Münzprägungen lieferten. Zur Beschaffung des nötigen Grubenholzes musste man auf die Reserven des Adlergebirges zurückgreifen, nachdem die Holzvorräte des Riesengebirges an Ergiebigkeit verloren hatten. Und damit begann der Holzeinschlag in den weiten Waldflächen des kaiserlichen Montangutes, gelegen zwischen der Domnitz, der Klause und der Erlitz. Auch hier setzte die Holzverwertung weite Flächen frei, die von den Holzknappen aus Schwaz besiedelt wurden und die Ortschaften Groß Stiebnitz, Ritschka, Schwarzwasser und Neudorf gründeten.
Der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges war aber auch das Ende dieses Geschäftes.
Das gesamte Montangut blieb nach dem Sieg des Kaisers im Besitz des Hofes und wurde erst 1703 an die Gutsherrschaft Reichenau verkauft. Gerüchtweise war die Kunde von angeblich reichen Erzfunden im Adlergebirge über die Grenzen gedrungen und hatte neben Siedlern auch Abenteurer angelockt, die in unseren Goldbächen zu „seifen“ begannen. Funde von Eisenerz, von Graphit- und Granitlagern hatten kleine industrielle Gründungen auf den Plan gerufen, die Glasindustrie und die Eisenhämmer datierten schon vor diesem Zustrom. Die Konjunktur der Scheithauer hatte außerdem große Flächen kahlgelegt, die nunmehr auf neue Siedler warteten. Hüttenindustrie und Eisenhämmer schienen als Industriezweige vor einem vielversprechenden Anfang zu stehen, sie schufen einen bescheidenen Arbeitsmarkt der zunächst Verbesserung des Lebensstandards versprach. Das radikale „Äschern“ vernichtete nicht nur den Wald, es verteuerte auch die Produkte, nachdem verlängerte Anfahrtswege Transportkosten verursachten. Die Goldsuche wurde zum Misserfolg, lediglich die Namen sind unseren Goldbächen erhalten geblieben.
Das Gebirge kehrte mit dem Niedergang der Industrie wieder in seine gehabte Armut zurück, die Meierhöfe waren wiederum die Brotgeber auch für einen Industriearbeiter, der sich an sie und an den Grundherren zu verdingen hatte. Seither verblieb das Adlergebirge ein Land mit vorwiegender Agrarstruktur.
Die Genealogie der Familie Peltzel bis Franz Martin Pelzel 1605 bis 1801
Die Genealogie der Familie Peltzel ist sehr interessant. Die Kraft und Tüchtigkeit bäuerlicher Familien, äußert sich in ihrem Bestehen und ihrer Verzweigung und in dem, wie sich in der Familie der Sinn für Geschichte erhält, welcher sich vererbt auf Söhne und Enkel. Die Währung ist in den alten Schriften als „Kop“ angegeben, was ungefähr einem Groschen entsprach. Der Handel war natürlich für die Großfamilie förderlicher, wenn er innerhalb der Familie durchgeführt wurde.
Die Wiege der Familie Peltzel ist das Dorf Groß-Stiebnitz, geborgen im Schoß des Adlergebirges und etwa 12 km entfernt von der Kreisstadt Reichenau a.d. Knezna. Von wo die Familie nach Groß-Stiebnitz kam, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich ist, dass der Vater von Adam Peltzel, als einer der Schwatzer Holzarbeiter aus Tirol in die Gegend von Groß-Stiebnitz, Mitte des 16. Jahrhunderts gekommen und an der Gründung dieses Ortes beteiligt war. Der Name Peltzel könnte sich von „Pelzen= unterstellen, abstützen“ ableiten, also auf einen Grubenarbeiter von der Silbermine in Schwatz in Tirol hinweisen.
Altes Forsthaus in Groß-Stiebnitz
Als gesicherten Gründer der Familie Peltzel können wir den Waldheger Adam Peltzel ansehen, seine Frau Anna dürfte aus dem nahen Schlesien stammen. Der Sohn Johann ließ sich als Bauer in Groß-Stiebnitz nieder und wurde hier auch Dorfrichter. Der alte Heger verwitwete am 25. Mai 1685, wo ihm seine Frau Anna im Alter von 77 Jahren begraben wurde. Der große Schmerz wirkte sehr auf sein altes Herz und nur Spaziergänge in den Forsten des Adlergebirges konnten ihn trösten. Nach 5 Jahren, am 16. Dezember 1690 ging er auch in die Ewigkeit ein.
Wald im Adlergebirge bei Stiebnitz
Der Sohn Johann, der Urgroßvater des Franz Martin PeltzeI, wurde am 5. Juni 1640 geboren, also etwa ein Jahr, nachdem in der Nähe um Reichenau im Juni 1639 ein Soldatenhaufen das Land überschwemmte, geführt von Zdenko Hostie, einem Heimkehrer und Gatten der Elisabeth Trekov. In Reichenau verwüsteten sie die Burg und plünderten die Stadt. Das Volk flüchtete vor ihnen und versteckte sich weit in den Wäldern, wo sie ihr letztes Eigentum verbargen. Die Schweden mussten sich bald nach Westen absetzen, da das östliche Böhmen von den Kaiserlichen beherrscht wurde, welche aber auch auf Kosten der Einwohner lebten, denen sie Lebensmittel und Geld nahmen. Unter der Führung von Torstenson zogen noch schwedische Truppen 1643 -1645 durch.
Die schwedischen Söldnertruppen und auch die österreichischen kaiserlichen Truppen, die abwechselnd durch Stiebnitz und Reichenau zogen, brachten Hunger und Krankheiten.
Kaiserliches Militär lagerte schließlich 1647 bei Gutenfeld (Dobruschka) und im März des Jahres um Sobnitz.
Als Lebensgefährtin erkor sich Johann Peltzel die Anna Obermeister aus Ricka (Ricek) und heiratete sie am 10. Juli 1668. Nach Erhalt der schwiegerelterlichen Mitgift kaufte er die Gutswirtschaft Nr. 1 in Groß-Stiebnitz von Matthias Bernhard für 40 Kop Groschen und einen Garten für 80 Kop von Christof Berger. Im Jahre 1686 war schon keine seiner Liegenschaft mehr mit Schulden belastet.
Altes Haus in Groß-Stiebnitz
Mit der Gattin Anna hatte Johann Peltzel 6 Söhne und 2 Töchter: Adam 19. Juni 1669, Martha 25. Juli 1671, Andreas 2. Februar 1674, Michael 28. September 1676, Matthias 10. Januar 1679, Susanna 14. Juni 1681, Johann 26. Januar 1684 und Kaspar am 18. Dezember 1686.Von Martha, Michael, Susanna und Kaspar haben wir keine näheren Nachrichten, Johann starb als 5-jähriger Knabe am 27. Juni 1689.
Johann Peltzel wurde am 28. Mai 1722 mit einem gesungenen Gottesdienst im Alter von 81 1/2 Jahren begraben.
Stiebnitzbach
Drei Söhne heirateten. Der älteste, Adam Peltzel, Großvater des Franz Martin PeltzeI, wurde Dorfrichter in Groß-Stiebnitz, verlobte sich mit der 19-jährigen Rosina Gabriel, der Tochter der Johanna Gabriel aus Rehberg (Liberka) und vermählte sich mit ihr am 30. September 1691.
Aus dieser Ehe stammen 9 Kinder: Regina 13. Oktober 1692, Johann 9. Oktober 1693, Tobias 28. Januar 1696, Anna Maria 1698, Julia 9. Oktober 1700, Franz Adam 31. Dezember 1701, Andreas 30. April 1704, Ignaz 10. Oktober 1706 und Martha 21. Juni 1719.
Inzwischen wurde er Besitzer vom Haus Nr. 72 in Groß-Stiebnitz, welches er von seinem Großvater Adam dem Älteren für 52 Kop kaufte, Abgabegebühr 11 Kop. Bis 1714 hinterlegte er jährlich 3 Kop, in Groschen 42 Kop. Von Georg Künnel kaufte er einen Garten für 42 Kop und am 24. April 1720 ein Stück Feld im Ausmaß von 1 1/2 Strich von Georg Derner zu 19 Kop.
Am 4. Mai 1734 starb der Richter Adam Peltzel und wurde von den Bürgern des ganzen Berglandes auf seinem letzten Weg geleitet. Etwa 2 Jahre später folgte ihm als treue Gattin seine Frau Rosina. Sie starb am 1. Februar 1736.
Alter Baum im Wald von Stiebnitz
Andreas, der zweite Sohn des Richters Johann Peltzel, verließ das Dorf seiner Familie und übersiedelte nach Reichenau d.d. Knezna.
Franz Adam Peltzel, der Vater des Franz Martin PelzeI, übersiedelte zu seinem Onkel Andreas nach Reichenau und ähnlich tat auch sein Bruder Ignaz Peltzel, der das Schneiderhandwerk erlernte.
Andreas Peltzel, wurde am 2. April 1674 in Groß-Stiebnitz geboren, heiratete am 1. Juli 1695 in Reichenau Anna Klimersch, geboren etwa 1676 und siedelte sich dort für dauernd an.
Wappen des Grafen Franz Karl Liebstein von Kolowrat
Zu dieser Zeit war Graf Franz Karl Liebstein von Kolowrat Besitzer der Hauptstadt Reichenau, der schon mit 30 Jahren königlich-böhmischer Landgerichtsrat und ernannter Landeshauptmann im Kreis Königgrätz war, nach 11 Jahren von 1661 -1667 dann Präsident am Appelationsgericht und 1664 mährischer Landeshauptmann. Er war ein Kavalier von lobenswertem Glanz und Ruhm, der voll dem hohen Amt entsprach, dem er vorstand. Das alte Schloss im Tal der Knezna reichte nicht aus, und daher baute er von 1676 an ein neues Schloss im italienischen Vierkantstil mit drei großen Hofräumen.
Schloss in Reichenau
Rückseite des Schlosses in Reichenau
Der mächtige Bau wurde von der ganzen Stadt ausgeführt, dieser Stadt der Tuchmacher und anderen Handwerker. Die Tuchmachergilde hatte den Ältestenrat schon 1378 bestätigt und ihre Tuche hatten zwischen Braunau, Chrudim, Kolin und Grötz schon zu Zeiten Karls IV. und auch später einen sehr guten Ruf. Die Tuchmacher waren im ganzen Land bekannt; sie verkauften Tuch nach Mähren und führten nach Schlesien aus.
Webstuhl
Nach dem Grafen Norbert Leopold Liebstein von Kolowrat, der nach seinem Vater 1700 die Herrschaft antrat, wurde 1713 im Barockstil mit jonischen Säulen die große Stirnseite gebaut. Die reichenauer Bürger und mit ihnen auch unser Andreas Peltzel, verfolgten die edlen Bestrebungen der Herrschaft, welche 1704 auch noch das alte Schloss erneuern und eine Stirnseite errichten ließ.
Am 18. September 1696 kaufte Andreas Peltzel vom Nachbarn Johann Stupan für 100 Kop Grund. Durch wahrscheinlich große Aussteuer als größeres Kapital als Folge seiner Heirat, kaufte er schon nach 2 Jahren, am 11. Februar 1698 Grund vom Herrn Maximilian Fischlein für 350 Kop.
Er hatte 8 Kinder:
Franz Ignaz 6.1.1700, Andreas Ignaz 6.11.1701, Anton Karl 27.1.1704, Annemarie 31.5.1706, Josef 22.901708, Franz Josef 16.1.1711, Andreas 10.6. 1713 und Karl 1.8.1716.
Eine kleine Kapelle in Stiebnitz um 1720
Andreas Peltzel nahm als Bürger an allen Feierlichkeiten und Kirchenfesten teil und unterstützte den Bau einer Loretto-Kapelle 1714. Graf Norbert Leopold fuhr nach Loretto in Italien, damit sie nach dem Vorbild gebaut werde. Und so war der Frühlingstag am 24. März 1714 in Reichenau ein Festtag.
Inschrift auf Kapelle in Stiebnitz (1720?)
Das übrige Leben in Reichenau verlief in langsamerem Tempo. In den niedrigen Hütten klapperten die Webstühle der Tuchmacher, man lebte bescheiden und ruhig.
Reichenau hatte während des zweiten schlesischen Krieges viel auszustehen. Als die Preußen das westliche Böhmen verließen, retirierten sie nach Schlesien. Über Opotschin kam Leopold I, Herzog von Lothringen nach Reichenau und wurde von der Geistlichkeit und den Bürgern empfangen. Quartier erhielt er im neuen Schloss, während Marschall Otto Ferdinand Abensberg Traun Gast im Piaristenkloster war.
Der 2. schlesische Krieg
Schlecht ging es auch dem Bäcker Anton Peltzel, denn es trat eine Missernte auf, es stiegen die Preise für Mehl und Brot, während ihre Qualität abnahm~ (Notmaßnahmen, russische Besatzung unter General Czernowitz, Bäcker Anton Peltzel wurde am 5. Mai 1749 für 100 Strich Roggen bezahlt, Müller war Heinrich Kramer etc.)
Schon am 31. August 1735 kaufte er von seinem Vater das Haus für 80 Kop~ Die Reichenauer Gemeinde hatte darauf eine Forderung von 66 Gulden, 18 Kreuzern.
In der Bäckerei war Betrieb, als am 27. August 1756 vormittags preußische Husaren in Reichenau einzogen, was von den Bathyany-Dragonern und Festic-Husaren nicht verhindert werden konnte. Sie forderten sofort 480 Laib Brot und von der Obrigkeit 1.200 Laib und befahlen, dass sie ihnen zugeliefert wurden.
Das war eine Hast bei den Reichenauer Bäckern: Sie mussten sofort 400 Laibe backen, die in 3 Touren dem Militär geliefert werden mussten. Weitere Kriegsereignisse, Regiment Werner, Gefecht bei Königgrätz 16. Oktober, November Regiment Nadasdy, nach der Sohlacht bei Kolin die Kaiserlichen, 1758 Bereich von Loudau, 1759 Kolloredo, Frieden am 15. Februar 1763, Grundstückkäufe.
Nach dem Tode des Anton Peltzel, der am 14. Mai 1759 starb, blieb sein Haus 3 Jahre verlassen und keiner der Erben wollte sich dessen annehmen. Der älteste Sohn war bei Vaters Tod 11 Jahre alt. Die Witwe Regina Peltzel heiratete am 28. September 1760 Franz Spohr, Gerber in Reichenau.
Franz Adam Peltzel, Vater des Franz Martin
(Die Peltzel schreiben sich seit Franz Adam „Pelzel“.)
Franz Adam Pelzel, Sohn des Adam Peltzel aus Groß-Stiebnitz, wurde am 31. Dezember 1701 in Groß-Stiebnitz geboren. Am 9. September 1727 kaufte er in Reichenau den Grund Nr. 458 für 160 Kop von Johann Ciska am jetzigen „Pelzel“-Ufer neben der alten Post. Am 1. Februar 1734 kaufte er 3 Strich Feld vom Georg Stupan für 150 Gulden, am 1. Dezember 1735 vom Josef Pohl für 195 Gulden und vom Herrn Christian Peyker ein Feld in 3 Raten für 150 Gulden. Am 10. September 1756 verkaufte er ein Stück seines Besitzes an Johann Lyndisch2). Am 7. Februar 1728 heiratete er in Katscher Elisabeth, die Tochter des Dominik Marsänger aus Katscher. Zeugen waren Georg Machatschke und Gottlieb Jancke3).
Haus Nr. 458 in Reichenau
Das Geschlecht der Marsänger kommt in Katscher schon im Jahre 1651 vor. In den Urbaren der Reichenauer Herrschaft ist eingetragen:“ Chrystof Marszonger, Fremder, Zimmermann, 62 Jahre, Frau Eva, 52 Jahre und 2 Kinder: Kaspar 20, Heine 17.“
Am 5. November 1679 heiratete ein Johann Marsänger in Katscher, Sohn des Johann Marsänger, Susanna, die Tochter von Kaspar Hermann aus Katscher. Dieser Gattin wurde am 19. Juni 1680 ein Sohn Dominik geboren, welcher am 14. November 1700 Katharina Pischel aus Katscher heiratete. Sie hatten 7 Kinder, von denen Elisabeth das 3. Kind war. Sie wurde am 18. Oktober 1707 geboren. Die Marsänger hatten in Katscher die Wirtschaft Nr.-59. Der Bruder der genannten Elisabeth war dort Dorfrichter.
Als Franz Adam Pelzel, der Vater des Franz Martin PelzeI, am 24. Oktober 1758 starb, blieb ihm noch ein Haus am rechten Ufer der Knezna. Dieses Haus mit Scheune, Garten und Feld von 4 Strich kaufte am 5. Januar 1759 der Bäcker Anton Peltzel für 520 Gulden. Die Witwe Elisabeth bedingte sich freie Wohnung für sich und die heranwachsenden Kinder aus. Sie starb am 6. April 1762 in Reichenau.
Der Fluß Kněžna durch Reichenau
Franz Martin Pelzel
Franz Martin Pelzel wurde in Reichenau a.d. Knežna am 11. November 1734 im Hause Nr. 458 am Pelzel-Ufer als viertes Kind des Franz Adam Pelzel (aus dem Geschlecht der Groß-Stiebnitzer) und der Elisabeth Marsänger aus Katscher geboren.
Haus Nr. 458 in Reichenau, Geburtshaus von Franz Martin Pelzel
Geburtsdatum von Franz Martin Pelzel und Hausnummer 458
Er wuchs zwischen den Brüdern und Schwestern heran, spielte gern mit anderen Kindern in den Hütten und bei der alten Post. Dann kam die Schulpflicht. Beim heutigen Dekanat stand das Gebäude Nr. 206 und in diesem wurde die Schule 1671 eingerichtet, als die Behörde dieses Haus vom Peter Stupan kaufte. Vorher war die Schule im Dreifaltigkeitsdom untergebracht. Der hier bedienstete Kantor Johann Prochatzka legte in die Seele des kleinen Franz die ersten Bildungsgrundlagen, lehrte ihn Schönschreiben, worin er sich später im Piaristenkolleg vervollkommnete. (Kind aus deutscher Familie im tschechischen Bildungsgang) Kantor Prochatzka war ein Mann edelster Qualität. Er war ein unerschrockener Redner, der sich oft in der Gemeindeversammlung auszeichnete. Einmal verfügte die Obrigkeit deswegen seine Einweisung in Arrest. Damals war sein Sohn Johann Prochatzka Kaplan, der sich für seinen Vater einsetzte. Es fehlte nicht viel und er wäre für seinen Vater ins Gefängnis gegangen.
Franz pflegte gewöhnlich mit den Häuslern in der Nähe des alten Bades zu verkehren, in dem Ignaz Nekham Bademeister war. In dieser Zeit war Hans Heinrich Kramer Besitzer der Mühle, den er auch sehr oft vor der Mühle zu treffen pflegte (deutscher Verkehr). Wenn er den Weg über die kurze Dechanatsgasse nahm, war er früher in der Schule.
Ans andere Ufer zum Schloß musste Franz in die Schule
Er lernte sehr fleißig. Kantor Prochatzka hatte ihn gern wegen seines Fleißes, des scharfen Verstandes und seiner schnellen Entscheidungen. Aus dem Fenster des Elternhauses hatte man einen schönen Blick auf den adeligen Teil der Stadt mit dem schönen hochgemauerten Schloss, das im September bei untergehender Sonne wie ein Zauberpalast aussah. Ein überlanger Gang mit zahlreichen Fenstern führte zum Juwel barocker und gotischer Kunst: zum Dom der Heiligen Dreifaltigkeit. Die schwere berühmte Stirnseite dieses Domes mit den ionischen Säulen wirkte mächtig auf den kleinen Knaben, der stets von Neuem nach Erkenntnissen suchte.
Durch den Hof des Schlosses der Dom der Heiligen Dreifaltigkeit
Sehr bald wandte sich sein Gesicht dem dritten Objekt auf der sanften Anhöhe zu, dem Piaristenkolleg, das wie angelehnt am mächtigen Dom lag. Er hörte verschiedentlich von Kameraden, was an der Anstalt geschah, und sein inbrünstiger Wunsch war, dass auch er eingesetzt werden möge in den Rat der ehrwürdigen Väter der Piaristen. Er hörte daheim erzählen, dass das Leben im Kloster sehr ruhig verläuft. Zu dieser Zeit wirkten im Kolleg außer dem Superior 3 Lehrer und im Jahre 1731 wird auch ein Schulverwalter erwähnt. Wegen der geringen Schülerzahl lehrte ein Professor 2 Klassen in einem Lehrsaal. Die größte Aufregung erfolgte, als sich im Jahre 1736 im Laboratorium Pater Arnoldus und St. Joane mit Spiritus so verbrannten, dass sie nach 9 Tagen starben. Sie hatten für Fürst Franz Karl Kolowrat chemische Experimente durchgeführt. Beide suchten den Stein der Weisen, Gold. Es waren die ersten Piaristen, welche hier starben. Sie wurden am 28. September 1736 in der Krypta neben der Loretta begraben.
Franz verließ die Gemeindeschule, absolvierte die Aufnahmeprüfung und trat 1745 in das Gymnasium ein. Damit wurde er Schüler einer Schule, die sich zu einer bekannten Anstalt entwickelte, welche der Sitz, der sich im ganzen Adlergebirgskreis ausbreitenden Kultur wurde. Aus Reichenau wurde ein Zentrum geistigen Aufschwungs, das Gymnasium verhalf zur Ausbreitung der Bildung und sandte häufig Sämänner über den ganzen tschechischen Nordosten aus, ja ins ganze tschechische und mährische Land. Graf Norbert von Kolowrat schuf sich damit ein dauerndes, dankbares Gedenken der Reichenauer Einwohner.
Franz Pelzel war ein begabter Knabe. Seine Lehrer konnten über ihn immer nur viele Lobesworte sagen. Er war ein fleißiger, gewissenhafter, strebsamer und vorbildlicher Schüler. Er machte gute Fortschritte, wie aus den Bemerkungen des Klassenbuches 1749 zu entnehmen ist. Er war ein Schüler, „der kaum zuließ, dass er vor irgendeinem seiner Mitschüler vom ersten Platz der Studienerfolge zurückwich.“ Von seinen Mitschülern ragten auch andere hervor: Hermann Papelar, Marcel Seebold und Ferdinand Seebold.
Superior des Piaristenkollegs war Pater Fabianus und St. Paulo vom Jahre 1738 bis 1748, ab 1749 folgte ihnen Pater Leopoldus und St. Alexio.
Der wahrscheinliche Schulweg von Franz
Im Kolleg pflegte er durch das Schlosstor zu gehen und oftmals ging er auch etwas nach rechts, wo er die Holzhütten überblickte, die am steilen Hang vom Mühlgraben geteilt wurden.“ Er eilte um die „Drei Heiligen“ der Mariensäule herum, von der eine Geschichte erzählt wird.
Mariensäule
Die hohe Säule war schwer in die Stadt zu befördern. Die Reichenauer wussten sich keinen Rat. Die Javornicer betteten Stroh auf die Erde und so wurde die Säule glücklich herbeigeführt. Weil später in Reichenau 12 Schulklassen waren und die Javornicer angeblich schlauer waren, begann man von Ihnen zu versichern, dass sie trotzdem eine 13. Klasse in Javornic haben. Und heute noch sagt man von den Javornicern, dass sie eine 13-klassige Schule haben. Auf den nahen Rosenhügel gingen auch die Herren Piaristen. Vor dem Schloss und auf dem Hauptplatz vor dem Rathaus pflegte es lustig zuzugehen, besonders wenn die studentische Jugend aus den Häusern kam. Auch Franz ging in die Gasse zwischen Schloss und dem Schloss- und Klostergarten.
Aus dem Kolleg und von dem Hang hinter dem Glockenturm auf dem Weg zum alten Schloss, war die Aussicht nach Lan, Habrova und den Cerniker Wäldern überraschend, ebenso hinter dem Solnitzer Turm zeichneten sich an hellen Tagen die majestätischen Schanzen des Riesengebirges mit den Schneegruben ab, und nach Nordosten, wo die Felder auf dem Hügel hinter dem Glockenturm ausliefen, öffnete sich das Panorama des Adlergebirges. Hier hielt sich auch Franz sehr oft auf und genoss den Blick auf die heimatlichen, zauberhaften Landschaften.
Zu Mittag eilte er mit Heften, unter dem Pagenweg hinter dem Kolleg um den Dom, zum Mühlgraben, dessen Wasser die Mühle des Johann Prause trieben. Die Mühle war schon 100 Jahre im Besitz dieser Familie. Über die Fußgängerbrücke über der Knežňa war er schnell daheim, aber sehr gerne eilte er wieder ins Kolleg, wenn die Glocke die Schüler rief.
Fußgängerbrücke über die Knežňa
Nach 4 Jahren musste Franz zum Studium nach Königgrätz. Dort hörte er Poesie und Rhetorik. Diese zwei Klassen waren in Reichenau nur bis 1768 geöffnet. Nach absolvierter Rhetorik wollte er auf die Universität gehen. Das erforderte jedoch bedeutende Kosten und seine zahlreiche Familie hatte keinerlei überschüssige Mittel. Im Familienrat wurde daher beschlossen, dass er Feldscher werden solle. Er aber forderte, dass er in seinem Studium fortfahren wolle. Als er den Eltern versicherte, dass sie sich um ihn nicht kümmern müssten, dass er sich das notwendige Geld durch eigene Arbeit und eigenen Fleiß verdienen wolle, willigten sie ein.
Er verabschiedete sich von Brüdern und Schwestern, der Vater drückte ihm zum Schluss die Hand, die Mutter segnete ihn mit dem Kreuzzeichen und der liebe Franz setzte sich auf den Leiterwagen und fuhr nach Prag.
Prag mit Moldau
Was auch immer an Plänen im jungen Herzen des Mannes war; in allem handelte es sich immer darum, sein Wissen zu mehren und den Stand der Kultur seines Volkes kennenzulernen. Er fürchtete nichts und nur der feste Wille führte ihn vorwärts zum wunderbaren Schaffen.
In Prag wurde er als Hauslehrer für Schönschreiben angenommen, was er ja am Reichenauer Gymnasium gelernt hatte. Im Zisterzienserkolleg an der Karlsuniversität in Prag studierte er im Jahre 1752 Logik. Im folgenden Jahr verzichtete er auf das Studium, weil Studenten, welche sich nicht der Theologie widmen wollten, im Zisterzienserstift nicht aufgenommen wurden. Dadurch gewann er nun viel freie Zeit, so dass er sich fleißig dem Studium der französischen Sprache widmen konnte. Das Studium der Philosophie beendete er bei den Jesuiten in der Prager Altstadt, wo ihn am meisten die Vorlesungen von Dr. Johann Scrincia interessierten, dem Schwager des Paters Galasius Dobner, der experimentelle Physik und Chemie vortrug. In Pelzel erweckte er wissenschaftliches Interesse. Im Jahre 1754 erreichte er den akademischen Grad eines Bakkalaureus der freien Künste.
Karlsuniversität in Prag, juristische Fakultät
Er wollte Priester werden und studierte daher ein Jahr Griechisch und Kirchengeschichte. Nach kurzer Zeit widmete er sich dem Rechtsstudium. Aber auch auf diesem gewählten Geleise blieb er nicht. Als 1757 die Preußen in Prag einfielen, wurde die Universität geschlossen.
Pelzel ging nach Wien, wo er Vorlesungen von Prof. Dr. Karl Anton Martin, Freiherr von Wasserburg hörte. Dieser war Berater der Kaiserin Maria Theresia. Außerdem studierte er Philosophie, Ästhetik und Geschichte in der kaiserlichen Bücherei und in verschiedenen privaten Büchereien und entnahm den Stoff seiner Schriften diesem Fach.
Universität Wien
Obschon ihm in Wien der Posten eines Instruktors in adeligen Familien angeboten wurde, kehrte er nach der Niederlage Preußens in Kolin, nach Prag zurück. (Schlacht bei Kolin 1757). Prag war durch die vorangegangene Schlacht in Prag am 6. Mai 1757 verwüstet, die Universität geschlossen und die Professoren überall hin verstreut. Daher nahm er 1761 (27 Jahre alt) die angebotene Stelle eines Erziehers in der gräflichen Familie Sternberg an, wo er sich der Erziehung des 8-jährigen Johann und des 6-jährigen Joachim widmete. (Johann starb 1789 als k. u. k. Kämmerer und Oberstleutnant. Pelzel schrieb ihm einen Nekrolog in den „Abhandlungen 1790“. In Abhandlung 1791, Seite VIII wird über Nekrolog Pelzels gesagt, dass „er als Held dafür gelten kann, dass er den aufgeklärten Grafen erzogen hat zu einem so innigen Gönner der Wissenschaften.“
Palais Sternberg in Prag, indem Pelzel die gräflichen Söhne 8 Jahre lang unterrichtete.
Joachim wurde ein berühmter Reisender in wissenschaftlichen und technischen Belangen. Im gleichen Jahr wurde Kaspar von Sternberg geboren, welcher der erste Vorsitzende des Nationalmuseums in Prag vom 13. Dezember 1822 an wurde.
Die kleinen gräflichen Söhne lernten Lesen; Schreiben, Rechnen, Latein, Französisch, Geschichte, Geografie, Dicht-und Redekunst. Im Hause Sternberg blieb er 8 Jahre. Im Winter begab man sich nach Prag, im Sommer auf den Sommersitz Osseg bei Rokitzan.
Pelzel lernte Deutsch erst im vorgeschrittenen Alter. In dem Vorbericht zur ersten Ausgabe der „Kurzgefassten Geschichte der Böhmen von den ältesten bis auf die jetzigen Zeiten“ schreibt er:
„Als geborener Böhme erlernte ich die deutsche Sprache erst im vorgeschrittenen Alter.“ Bei tschechischer Schreibweise des Namens (Pelcl!) nennt er sich einen Tschechen, aber er schreibt deutsch, bei Orts-oder Personennamen behält er die tschechische Schreibweise bei. Von kritischen Lesern erwartet er Nachsicht für hineingeschlüpfte Tschechismen und Slawismen in seinen Schriften.
Auf allen Gymnasien, besonders im Grenzgebiet, war Deutsch die erste oder zweite Unterrichtssprache. Was er vielleicht „lernte“, war perfektes Deutsch für seine schriftlichen Arbeiten. Er stammte schließlich, wie sein Bruder Bernhard, aus einer deutschen Familie und wäre, wie oben beschrieben, nicht Hörer an der Wiener Universität gewesen, wenn er nicht die deutsche Sprache beherrscht hätte.
De Luca schreibt über Pelzel, dass er Frankreich und England besucht hat und auf der Leipziger Universität verweilte.
Bei der Herrschaft Sternberg studierte er Philologie, schöngeistige Wissenschaften und las deutsche und französische Belletristik. Er bemühte sich auch, in die Geheimnisse des Englischen mit Hilfe irischer Priester einzudringen, welche sich noch im Sternbergschen Palast aufhielten. Von englischen Autoren las er hauptsächlich Spectator, Popea und Milton.
Im Jahre 1769 (Alter 35!) verließ Pelzel die Familie Sternberg, weil die Grafen Johann und Joachim in den Militärdienst eintraten. Er sollte nach Wien gehen, aber er widmete sich der Arzneikunst (Pharmazie), die er schon bei den Sternbergern mit Hilfe der gräflichen Ärzte studiert hatte. Bei Johann Thomas Trattner, Adeliger und k.u.k. Hofdruckereibesitzer, vereinbarten sie mit seinen Freunden Obehir und dem Apotheker von Relly seine Versorgung dadurch, dass er dem Sohn des Druckereibesitzers Unterricht in Tschechisch geben sollte. Aber das Schicksal entschied anders.
Palais Nostiz in Prag
Graf Franz Anton Nostiz bot ihm die Stelle eines Erziehers an und Pelzel nahm an. Vom Jahre 1775 (41 Jahre alt!) war er dort mit dem Pianisten Jaroslav Schaller und von 1776 mit Bobrovsky tätig. Er verkehrte mit Franz Josef Graf Kinsky, Ignaz Ritter von Born, Graf von Swieten und mit dem Prämonstratenser Gottlieb Johann Dlabac. Außerdem noch mit Fortunat Durych, Johann Georg Menzel, den Piaristen Voigt, Scheschnik, Ota Steinbach von Kranichstein, Raphael Ungar, Karl Ignatz Tham, Johann Ritter von Neuberg, Josef Edler von Monze, Johann Peter Cerroni, Ignatz Cornova, Karl Josef von Bienenberg und anderen.
Er erzog zunächst drei, später vier Grafen Nostiz. Er lehrte Geografie, Geschichte und Morallehre, hatte genug freie Zeit und widmete sich der böhmischen Geschichte.
Im Salon des Adels bewegte er sich zwar mit gepuderter Perücke mit einem Zopf im Nacken, aber mit hellen, freiheitlichen und modernen Gedanken hinter der Stirn.
Audienz bei Kaiser Josef dem II.
Im Jahre 1772 (38 Jahre) wurde der Lehrstuhl für tschechische Sprache an der Militärakademie in Wiener Neustadt frei und Pelzel angeboten. Er nahm nicht an, denn er konnte sich nicht entscheiden, „sein Vaterland“ zu verlassen, wie er sich in seiner „Akademischen Antrittsrede“ 1793 äußerte. Als Prof. Menzel die Universität in Erfurt verließ und nach Erlangen ging, wurde Pelzel wieder das Lehramt in Erfurt angeboten. Er lehnte aus dem gleichen Grunde ab.
Als Erzieher bei Nostiz hatte er eine anständige Stellung. Er wurde mit Maria Franziska Schindler, der Tochter des Wirtschaftsdirektors bekannt. Der hochgeborene Herr Johann Franz Schindler war Direktor der Herrschaft in Lihn (Hliny) bei Plan (Řehlovice an der Biela, die in die Elbe mündet), unweit Staditz (Stadic) auf der Strecke Aussig (Usti nad Labem) –- Türnitz (Trmice) – Úpořiny-Bilina im ehemaligen Kreis Leitmeritz. Im nahen Türnitz war im Jahre 1778 ein Augustin Schindler Kaplan, er traute Franz Martin Pelzel.
Maria Franziska Schindler
Vom 24. November 1777 ist ein Brief erhalten. Der 43-jährige Pelzel schreibt seiner 20-jährigen Braut:
„Mein Schatz! Das war wieder ein Brief, den ich gerne immer wieder lese. Es gibt für mich nichts Angenehmeres, als mich Eurer Liebe zu versichern. Ich schreibe Eurem Vater und werde ihm vortragen, dass er erlaubt, dass unsere Hochzeit nach dem Freitag (Dreikönige) stattfindet, wenn Euch das auch angenehm ist. Denn sehen Sie mein Kind, Sie müssen bedenken, dass wir für uns nur den Winter haben. Wenn der Sommer kommt, müssen wir uns wieder einige Zeit trennen. Wir dürfen daher nicht viel Zeit verlieren. Ich werde mich sehr freuen, wenn Ihr nach Prag kommt. Ich fürchte aber, dass das Wetter und der Weg Eure Frau Mutter abhalten werden.
Es wird sehr schön sein, wenn Ihr zu den Feiertagen im Festgewand sein werdet. Wenn Ihr vielleicht früher nach Prag kommt als Ihr schreiben könnt, sendet mir durch irgendwen Nachricht wo Ihr wohnen werdet, damit ich sofort zu Euch komme. Bedenken Sie, was noch alles zu tun ist! Heute habe ich Holz zuführen lassen, damit Sie nicht frieren, wenn es sehr kalt ist. Die Stube hat der Tischler schon fertiggestellt, nun arbeitet daran der Tapezierer, ebenso am Sofa. Diese Woche werden auch unsere Betten fertig. Wenn Ihr ins Haus kommt, werdet Ihr sehen, was ich schon gerichtet habe. Ihr müsst einen guten Dienstboten mitbringen. Lebt wohl! Ich hoffe, dass das Auge Eurer Frau Schwester besser geworden ist. Ich bin mit tiefer Ergebenheit Euer Franz Pelzel!“
Franz Martin Pelzel
Die Hochzeit fand am 11. Januar 1778 in Lihn bei Aussig a.d. EIbe statt. (1. Fußnote: Angaben der Matrik: Die Heiratsurkunde wurde lateinisch geschrieben, obwohl gleichzeitige Schriften dieser Zeit deutsch geschrieben wurden. Es wurde ausdrücklich vermerkt: „böhmischer Nationalität“. Das Auftreten Pelzels in Lihn war demnach bewusst national.
Pelzel führte die junge Frau in die vorbereitete Wohnung auf der Kleinseite in Prag. Sie wohnten zuerst in Nr. 350, später in Nr. 377. (Es folgen die Geburtsdaten der Kinder Heinrich, Franz Karl, Josefine, Antonie, Wenzel Prokop, Karla, Johanna Anna, Johann Ladislaus.)
Im Jahre 1774 bildete sich in Prag eine „Private böhmische Gesellschaft“. Pelzel wurde eines der ersten Mitglieder und sehr fleißiger Mitarbeiter. Ab 1. Oktober 1785 war er Kassierer, vom 8. Juli 1786 bis 13. Januar 1787 Direktor, 1789 Direktor der Geschichtsabteilung, vom 6. Dezember 1791 bis 21. Dezember 1795 Vertreter des Doberauer Sekretärs (Doberau nordöstlich Eger!), in den Jahren 1796 und 1799 Schriftführer der Geschichtsabteilung. Nach dem Auflassen des Hofmeisteramtes blieb Pelzel bei Graf Nostiz mit dem Titel eines Bakkalauraeus. Zusammen mit Schaller brachte er die Bibliothek des Grafen in Ordnung und stellte einen Katalog zusammen. Ab 1789 versah er das Amt des Archivars.
Bibliothek im Palais Nostic
Die sehr große Familie verursachte Pelzel bedeutende Sorgen wie er in einem Brief aus Doberau vom 18. Mai 1789 versicherte: „Meine Familie macht mir Sorgen und Kummer. Bedenken Sie nur: Sieben Kinder! Ich habe täglich 10 Münder zu ernähren. Ich muss mich sehr einschränken. Die Ausgaben wachsen, die Einnahmen nicht! Was ist zu tun?“ Die familiären Sorgen und Trübsal waren der Grund, dass er sich um den Lehrstuhl für böhmische Sprache und Literatur bewarb.
Karlsuniversität in Prag_Philosophische Fakultät
Er wurde durch ein Hofdekret vom 21. Dezember 1792 bzw. 5. Januar 1793 auf die Universität berufen und am 13. März 1793 eröffnete er die Vorlesungen. Er blieb jedoch auch weiterhin bei Nostiz und wohnte in Prag oder am Sommersitz der Nostiz und besuchte auch seinen Bruder in Linz. Im Jahre 1796 badete sein Sohn Heinrich, Hörer der Philosophie, in der Moldau und verwundete sich mit einer Scherbe an der Nase. Er erkrankte und starb am 9. Juli 1796. (Wundstarrkrampf?) Der Verlust des 17-jährigen Studenten drückte schwer auf das Gemüt des Vaters, so dass er rief:
„Ach, wer wird jetzt meine Bücher und Schriften ehren!“
Des Sohnes Liebe zu den Büchern und seine Begabung berechtigten zu der schönsten Hoffnung. Von diesem Jahr an siechte er dahin und klagte oft über Unwohlsein. Am 24. November 1797, am Weg zu dem Bruder in Linz, schrieb er an Cerronin, dass das Alter sich mit abnützender Gesundheit einführe. Im Frühling 1799 erkrankte er ernsthaft und auf der Universität vertrat ihn Dr. Johann Nejedly. Die Kinder und die Familie empfahl er dem Schutz der königlich-böhmischen Gesellschaft, welche ihn bereits so viel unterstützt hatte und dies auch tat bis zum letzten Augenblick seines fruchtbaren Lebens. Er starb in Prag am 24. Februar 1801. Todesursache: Darmkrebs.
Die Pelzelstraße beim Palais Nostic in Prag
Er wurde in Koschir am Kleinseite-Friedhof an der Pilsner Straße, die von Smichov nach Koschir führt, begraben in der zweiten Grabreihe an der Friedhofsmauer an der Pilsner Straße. Die königliche Lehrergesellschaft ließ in die Friedhofsmauer eine Tafel einsetzen, in der mit Goldbuchstaben steht:
„FRANZ MARTIN PELZEL AUS BÖHMISCH REICHENAU HAT SICH UM DIE GESCHICHTE SEINES VATERLANDES UND UM DIE BÖHMISCH WISSENSCHAFTLICHE GESELLSCHAFT VERDIENT GEMACHT!
GEBOREN AM 9. NOVEMBER 1734, GESTORBEN AM 24. FEBRUAR 1801.
SEINER GEDENKEN ERNEUT DIE KÖNIGLICH BÖHMISCHE GESELLSCHAFT 1907.“
Die Geburtsstadt Reichenau a.d. Knezna ehrte stets sein Andenken. Am 28. September 1870 wurde bei seinem Elternhaus ein Denkmal errichtet, bei den Feierlichkeiten 1893 wurde ein Pelzel-Almanach herausgegeben, in den Sommerferien wurde eine Jubiläumsausstellung eingerichtet und am 19. August ein Denkmal an der Stelle des ehemaligen Piaristengymnasiums enthüllt. Das städtische Realgymnasium wurde zu Ehren seines Andenkens, nach ihm benannt, ähnlich wie früher das Pelzeltheater, -Museum und -Ufer.
Pelzel-Denkmal an der Stelle des Piaristengymnasiums in Reichenau
Nach dem Tode von Franz Martin Pelzel übersiedelte seine Familie in die Thomasgasse Nr. 25 an der Kleinseite, denn aus dieser Zeit sind in der Pfarrmatrik zum hl. Thomas einige Eintragungen. Im Archiv der Stadt Prag im Einwohnerverzeichnis Kleinseite ist unter Nr. 25 angeführt: „Karla, geb. 1787, im Jahre 1810 abgemeldet nach Neuhaus. Franz, Justiziar, geb. 1780, 1810 abgemeldet nach Jistebink, Franziska, Witwe nach Prof. Franz Martin Pelzel, geb. 1757, im Jahre 1810 als gestorben gemeldet. Johann, geb. 1790, abgemeldet 1809 in die Slowakei. Johann, geb. 1788, abgemeldet 1810 nach Neuhaus. Wenzel, geb. 1785, Postabfertigungsbeamter in Neuhaus, abgemeldet 1808.
Im Jahre 1922 wurde in Reichenau der Bau eines Gymnasiums begonnen, das zu Ehren von Franz Martin Pelzel „Pelzelgymnasium“ heissen sollte
1924 wurde das Pelzel-Gymnasium eröffnet
Pelzel-Gymnasium
Pelzel-Gymnasium heute
Grabstelle von Franz Martin Pelzel in Reichenau, tatsächlich ist er in Prag am Friedhof an der Kleinseite begraben
Grabinschrift
Plakette am Gedenkstein in Reichenau