Mein Beitrag zum Schutz der Umwelt, 1. Teil

Das AKW in Zwentendorf

1978 wurden die Diskussionen wegen der Eröffnung des Kernkraftwerks in Zwentendorf immer lauter, es artete in einen Streit der PolitikerInnen aus. 1969 war der Startschuss erfolgt unter der Regierung Klaus II. Wir haben zusammen mit tausenden Studenten dagegen demonstriert. Während der letzten Jahre hatte ich verschiedenes an Unterlagen gesammelt, unter anderem die Sicherheitspläne des Kernkraftwerks und das negative Gutachten meines Ziehvaters. Auf der Welt und auch in der Nähe Österreichs hatte es in den 70er-Jahren eine Reihe von, zum Teil ernsten Störfällen an Kernkraftwerken gegeben. 1973 kam es in der Wiederaufbereitungsanlage Windscale in Sellafield, UK bei Reparaturarbeiten zu einer exothermen Reaktion, bei der 35 Arbeiter verseucht wurden. 1974 im AKW Leningrad kam es zu zwei schlimmen Störfällen, mit drei Todesfällen und dann zu einer Schmelzung von Brennelementen, die allerdings gerade noch gelöscht werden konnten, eine riesige Menge an Strahlung wurde dabei an die Umgebung abgegeben. Schwerwiegende Störfälle waren auch 1977 im AKW Belojarsk, Sowjetunion, die Reparatur dauerte 1 Jahr und AKW Bohunice in der Slowakei, wo es unter anderem zu Undichtigkeiten im Druckkessel gekommen war, der Betrieb dieses Reaktorblocks wurde dann im ersten Halbjahr 1978 eingestellt.  Die ÖVP, die jahrelang für das Kraftwerk eingestellt war, wandelte ihre Zustimmung in eine Gegnerschaft um, nicht aus Vernunftgründen, sondern da der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky verkündete, er wolle in einer Volksabstimmung darüber entscheiden lassen, ob es in Betrieb gehen solle oder nicht. Kreisky sagte, er wolle zurücktreten, wenn die Volksabstimmung negativ ausgehen würde.

Demonstrationen gegen Zwentendorf 1978

Ich nutzte die damals gegen Kreisky gerichtete Stimmung innerparteilich und streute Informationen gegen das Kernkraftwerk. Mein Stiefvater, Prof. Dr. Franz Lihl, Leiter des Intstituts für angewandte Physik an der technischen Universität, bekam den Auftrag, den Druckkessel des bereits gebauten Kernkraftwerkes in Zwentendorf zu prüfen. Sein Gutachten, für das er damals 100.000 öS bekam, zeigte allerdings einige Haarrisse im Druckkessel auf und er kam zu dem Schluß, dass eine Inbetriebname des Kraftwerks, ohne einer entsprechenden Sanierung, aus seiner Sicht nicht zu verantworten wäre. Das Wissenschaftsministerium unter der Ministerin Firnberg gab allerdings ein zweites Gutachten bei der Universität Wien, bei Prof. Reifenstuhl in Auftrag. Dieser kam dann (für 200.000 öS) zum Schluß, dass keine Gefahr für den Betrieb bestünde…

Der Druckkessel in Zwentendorf

Irgendwoher habe ich dann auch noch einen versehentlich zu oft kopierten Ausdrucks des Sicherheitsplans aus dem Umweltministerium bekommen.

Ich setzte mich mit einem Journalisten in Verbindung, den ich auf Unterlagen hinwies, die in einem bestimmten Mistkübel im Hof der Wohnanlage Floridsdorfer Hauptstraße 21 am Rande angeklebt wären. In dem Kuvert befanden sich Kopien des Sicherheitsplanes und des Gutachtens über den Druckkessel der TU Wien. Zwei oder drei Tage später sorgte in einer ZIB Sendung die Tatsache, dass einem Journalisten Sicherheitspläne zugespielt worden waren, für Aufregung und es wurde eine Untersuchung angeordnet, die allerdings glücklicher Weise im Sande verlief. Die Abstimmung fand statt, Kreisky trat, trotz Niederlage nicht zurück. Die damalige ÖVP unter Obmann Josef Taus hatte eine Chance gesehen, den übermächtigen Bundeskanzler Kreisky (SPÖ) im Falle einer Niederlage zu schwächen oder zum Rücktritt zu bewegen, was allerdings trotz verlorener Abstimmung nicht eintrat: Bruno Kreisky erreichte bei der Nationalratswahl 1979 seinen größten Wahltriumph. In der Folge führte die Nichtinbetriebnahme im Dezember 1978 zum Atomsperrgesetz, nach welchem in Österreich auch in Zukunft keine Kernkraftwerke ohne Volksabstimmung gebaut werden dürfen.

Österreich ist das einzige Land der Welt, das aus der Atomenergie ausgestiegen ist, bevor es noch drin war. Am 5. November 1978 ist das Atomzeitalter in Österreich zu Ende gegangen, bevor es begonnen hat. Damals, an jenem 5. November, stimmten 1.606.308 Menschen mit Nein, als es um die Frage ging, ob das Atomkraftwerk in Zwentendorf im Tullnerfeld in Niederösterreich in Betrieb gehen sollte. 1.576.839 Menschen waren dafür, das AKW ans Netz gehen zu lassen.

Damit machten bei über 3 Millionen Stimmen nicht einmal 30.000 den Unterschied. Sie entschieden, dass ein Kraftwerk, das um 15 Milliarden Schilling gebaut worden war, keinen Strom produzieren sollte. Befürworter der Atomkraft betrachteten das Nein als Katastrophe. Sie sahen eine riesige Geldverschwendung. Und sie fürchteten, dass in Österreich bald der Strom knapp werden würde und die Lichter ausgehen könnten. Ersteres ist unbestreitbar. Die Baukosten waren verloren. Zweiteres ist nicht passiert. Österreich konnte seinen Strombedarf auch ohne Atomenergie decken.

Die Abstimmung über das AKW Zwentendorf war nicht nur ein Einschnitt in Österreichs Energiepolitik. Sie markierte auch eine Wende in der Ära Kreisky. Der SPÖ-Bundeskanzler hatte die Abstimmung über das Kraftwerk mit einer Abstimmung über seine Politik verknüpft. Diese Rechnung ging nicht auf. Genauso wie Zwentendorf das Symbol für den ersten schweren Rückschlag für Bruno Kreisky gewesen ist, war es auch der Start einer neuen politischen Bewegung in Österreich.

Die Grünen formieren sich

Viele derjenigen, die sich in der ersten Reihe gegen Zwentendorf engagierten, fanden sich später unter den Gründungsmitgliedern der Grünen. In Erinnerung ist vielleicht noch das Fernsehbild von Freda Meissner-Blau, die im Radio das Ergebnis der Abstimmung hört und sich mit anderen Atomgegnern in die Arme fällt.

Wir hatten also unser erstes umweltrelevantes Ziel gegen die Regierung erreicht.

Junge ÖVP

Erhard Busek, der mich als „bunten Vogel“ in die JVP gebracht hatte und Johannes Hahn, dem Wiener JVP-Obmann, war ich aufgefallen. Ich wurde Organisationschef in Wien. Im Umweltbereich war eine meiner wichtigsten Leistungen die Absiedlung der Wiener Landesprüfstelle für Lastkraftwägen vom Alsergrund, die sich heute in der Haidequerstraße befindet.

Im Frühjahr 1983 waren Gemeinderatswahlen in Wien und ich sollte auf Grund meiner Leistungen am Alsergrund ein Bezirksratsmandat erhalten und war bei den ÖVP-Internen Vorwahlen an vierter Stelle gereiht. Die ÖVP hatte, wie ich glaube, bis dahin 9 Mandate gehabt und so wäre das ein sicheres Mandat für mich gewesen. Als ich dann im Februar ins ÖVP-Büro gerufen wurde, ist mir ein Formular vorgelegt worden, wo ich blanko meinen Rücktritt von meinem Mandat unterschreiben sollte. Empört über ein derartiges Misstrauen verweigerte ich meine Unterschrift. Die Sekretärin sagte dann, dass ich das Mandat in diesem Fall nicht antreten könne. Daraufhin legte ich sofort alle meine Ämter, die ich bei der Jungen Volkspartei innehatte, nieder und war auch von Heinrich Neisser nicht mehr dazu zu bewegen, meinem Rücktritt als Bezirksobmann der JVP am Alsergrund wieder zurückzunehmen. Bei der Gemeinderatswahl im April 1983 hatte die ÖVP in Wien mit etwa 33% dann das beste Ergebnis seit 1945 erzielt und Erhard Busek war Vizebürgermeister, meine politische Karriere allerdings scheinbar beendet.

David McTaggart auf der Vega 1981_Foto Greenpeace

Greenpeace

Privat interessierte ich mich sehr für Greenpeace-Aktionen, die in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts immer wieder aufhorchen ließen. Die Fahrt von David McTaggert mit der Vega zum Muroroa-Atoll, wo er 1972 einen französischen Atombomben-Versuch verhindert hatte, waren für mich das Startzeichen gewesen, das Segeln zu erlernen. Das betrieb ich auch weiterhin, machte den A-Schein, den Segellehrerschein und plante auch das Küstenpatent, den B-Schein zu machen. Durch die Aktionen gegen das AKW Zwentendorf waren wir, Christine, meine damalige Frau, und ich, längst auf der Umweltschiene unterwegs. Wir machten Aktionen beim WWF mit, vor allem in Burgenland am Neusiedlersee.

Widerstand, Kampf gegen oder für etwas, hat viele Gesichter. Hass, Aggression und tätlicher Angriff sind oft Triebfeder und Werkzeug. Eine völlig andere Form eines Einsatzes geht die 1971 gegründete internationale Umweltschutzorganisation Greenpeace.

Gewaltfrei, oft aber unter Einsatz des eigenen Lebens, wendet sie sich mit Aktionen, die direkt am neuralgischen Punkt eines Problems ansetzen, an die betroffene Bevölkerung, Verantwortliche oder an die gesamte Menschheit und appelliert an die Eigenverantwortlichkeit jedes einzelnen, seine Umwelt mitzugestalten. Damit versucht sie einerseits einen gewissen Informationsnotstand durch gleichzeitiges Betreiben von Aufklärungsarbeit zu verringern, andererseits das Gefühl der Ohnmacht, das oft Einzelne, eingebunden in vielfältige gesellschaftliche Zwänge und angesichts einer komplexen und bedrohlichen Problematik befällt, zu bekämpfen. Es ist der Aufruf: „Seht her, hier ist etwas nicht in Ordnung – aber wir glauben daran, dass es geändert werden kann. Helft mit!“

Der Grundgedanke der Greenpeace-Philosophie ist das ökologische Gleichgewicht: Alle Lebewesen, ob Pflanzen, Tiere oder Menschenstehen in zwingender Beziehung zueinander. Wird diese Balance gestört, kann letztlich der Mensch nicht überleben.

12 Mitgliedstaaten von Greenpeace versuchen gemeinsam und miteinander auf international koordinierter Basis Umweltprobleme aufzuzeigen, Informationsarbeit zu leisten, Verantwortliche zu Taten anzustacheln, eine neue umweltfreundlichere Denkweise zu vermitteln. Seit Mai des Jahres 1983 ist auch eine österreichische Gruppierung als erste Binnenlandgruppe mit einem Vertrag in das internationale Gefüge eingegliedert, der sie vor allem zu Gewaltfreiheit und Überparteilichkeit verpflichtet.

1981 haben sich in der Aula der neuen Wirtschaftsuniversität unter der Leitung des Wirtschaftsprofessors Gernot Neuwirth, viele Studenten, etwa 50 an der Zahl, zusammengefunden, dabei waren VertreterInnen der Hochschülerschaft, vom WWF,  von einer Gruppierung unter der Leitung von Michael Undorf, die sich nach der Umweltstudie des amerikanischen Kongresses von 1977 zum, vom Club of Rome 1973 herausgegebenen Buch „Die Grenzen des Wachstums“, Global 2000 genannt hatten und Leute von Friends of the Earth. Wir alle berieten darüber in Österreich Greenpeace zu gründen. Nun war das allerdings nicht allzu einfach, in Deutschland war 1981 gerade ein Büro gegründet worden, aber die hatten Zugang zum Meer und die Hauptthemen von Greenpeace waren zu der Zeit eben die Verhinderung von oberirdischen Atombombentests, der Schutz der Wale und der Robben. Nichts davon hatten wir in Österreich zu bieten, abgesehen von einem nie in Betrieb gegangenen Atomkraftwerk. Die Greenpeace-Büros in Kanada, Neuseeland, USA und Großbritannien wollten kein weiteres Büro in Europa akzeptieren. Trotzdem fragte eine kleine Gruppe schriftlich bei Greenpeace International nach und fuhren zu verschiedenen Greenpeace-Büros in den USA, in den Hauptsitz in Holland, Deutschland und Großbritannien.

Gegründet wurde ein Verein namens „Freunde von Greenpeace“, womit die Sache dann enorm beschleunigt wurde, da das eigentlich ein Verstoß gegen die weltweit markenrechtlich Geschützte Marke „Greenpeace“ war. Im Vorstand waren Michael Undorf, Jasna Sonne, Erich Steininger, die Christine und ich. Wir zogen ins WUK im 9. Bezirk in der Währinger Straße und richteten uns dort ein Büro ein. Am 13. 12. 1982 kam es, noch unter dem alten Vorstand zu einer Namensänderung in „Greenpeace Österreich“. Der Mitgliederzulauf war enorm, bei jedem Interessententreffen kamen manchmal bis zu 100 Menschen. Anfang 1983 wurden die Diskussionen immer turbulenter und wir luden David Mc Taggert ein, das Büro in Wien zu besuchen. Bevor er noch nach Wien kam, konnten wir Einblick in den Lizenzvertrag nehmen, was Michael Undorf sofort zum Aufgeben veranlasste, mit den Worten „Der Vertrag ist heavy, wenn irgend etwas in Österreich mit dem Namen Greenpeace passiert, bin ich der Schuldige!“ Michael blieb bei „Global 2000“ und ich kann mich noch genau erinnern, wie ich damals in meiner kleinen Wohnung im 10. Bezirk am Bett gesessen bin, Christine mir gegenüber und wir zu zweit besprochen haben, ob wir die Verantwortung übernehmen wollten. Christine hatte Bedenken wegen der Haftung und wegen ihres möglichen Probejahres in der Franklinstraße, dass sie im September antreten sollte. Eigentlich handelte es sich um ihr altes Kerzenproblem, wo eine Frage zu einer weiteren führt und letztlich wieder zur alten Frage zurückkehrt. Ein wenig naiv (ich konnte die Probleme, die auf uns zukamen ja auch nicht einmal erahnen) entschied ich dann, dass ich den Vertrag unterzeichnen werde, ob sie mitmacht oder nicht. Sie machte natürlich mit und als David McTaggert im Februar in Wien ankam hatte er den Lizenz-Vertrag bereits mit und wir unterschrieben beide, der Wirtschaftsstudent Herbert Witschnig war der notwendige Dritte im Bunde, da für einen österreichischen Verein drei Leute im Vorstand sein mussten. Durch meinen vorangegangenen Rücktritt als Bezirksobmann der JVP hatte ich die notwendige Parteifreiheit erlangt. In einer sofort einberufenen Generalversammlung am 5. Mai 1983 kam es zu einem geschlossenen Rücktrittsangebot des alten Vorstands, Michael Undorf, Jasna Sonne, Brigitte Schigl, Wolfgang Fürnkranz, Ernst Steininger und Gottfried Kalkstein, der einstimmig angenommen wurde. Gleichzeitig wurden wir drei, Christine Pahlich als Obfrau, Klaus Pahlich als Stellvertreter und Schriftführer und Herbert Witschnig als Kassier, zum neuen Vorstand gewählt.

Die Greenpeace-Mitglieder 1983

Unter dem Eindruck dieser Ereignisse starteten wir also mit Greenpeace durch! Mit dem alten Vorstand, der jetzt mit Global 2000 weitermachte, waren eine ganze Menge Leute mit gegangen, so dass unsere Greenpeace Gruppe auf etwa 25 Menschen zusammengeschrumpft war. Von Greenpeace International war uns aufgetragen worden, dass wir bei jeder von uns geplanten Aktion erst in Hamburg um Erlaubnis fragen mussten. Eine genaue Aktionsbeschreibung mit allen möglichen Gefahren wären unsere unbedingte Pflicht gewesen. Allerdings hatten wir eine große Abneigung, die Deutschen als Kindermädchen zu akzeptieren, die meisten unserer damaligen Anhänger lehnten den „Anschluss“ an Deutschland rundweg ab. Da wir fast alle Entscheidungen basisdemokratisch treffen wollten, haben wir uns gerade diesen Beschlüssen sehr gerne untergeordnet. Nur kurze Informationen gelangten nach Deutschland und die hatten so viel mit sich selbst zu tun, dass sie uns einmal werken ließen. MitläuferInnen zu sein, war jetzt aber nicht gerade unser Ding, wir überlegten uns eigene Aktionen. Mir ging es auf die Nerven, dass Greenpeace nur immer irgendwo hinaufkletterte, um auf sich aufmerksam zu machen und wir überlegten uns, wie man sonst noch die Medien für den Umweltschutz begeistern oder zu mindestens interessieren könnte.

Wir haben kaum Geld, dafür aber viel Enthusiasmus, frieren uns am Stand die Finger ab und freuen uns über jeden Spendenschilling, den wir einnehmen, sichert er doch wieder ein Stückerl Arbeit. Wir wollten zum Beispiel eine Informationsschrift bezüglich Artenschutzes gegen Schildpattmaterialien an alle österreichischen Optiker verschicken, das scheiterte allerdings an den nicht vorhandenen Portospesen. Der große Vorteil dieser Zeit: Wir knausern zwangsläufig mit jedem Spendenschilling, nur die effizienteste Variante einer Aktivität wird durchgeführt. Wir werden dazu verdonnert, nach Kräften einfallsreich und damit auch originell zu sein. Damals teilen wir uns das Büro noch mit den Global-Leuten. Es kommt zu Schwierigkeiten: Nur ein Eingang, aber zwei Vorstellungen davon, was ein Büro sein und wie es demnach aussehen soll. Die Globalis betrachten es als reinen Nutzraum, in dem man die nötigsten Arbeiten möglichst rasch verrichtet. Die Druckmaschine produziert viel schmieriges Schwarz und viele Fehldrucke, die malerisch gruppiert, die Nachbarschaft von Leerflaschen bilden. Wir finden das Chaos nicht kreativ, weil wir unsererseits im ersten Eifer ein Zimmer anheimelnd gestalten wollen. Die Worte, die fallen, sind nicht immer sachlich und nett. Im Sommer veranstalten wir ein Fest im WUK, um uns bekannter zu machen. Wir leihen Filme zum Thema Umweltschutz, holen einige Sänger mit kritischen Texten, die nichts für ihren Auftritt haben wollen, entrümpeln den Festsaal und stellen dort das obligate Büffet auf. Ein Selbstdarstellungshappening mit Informationen über die verschiedenen Bereiche, die wir behandeln wollen. Zu diesem Zeitpunkt kennt noch kaum jemand Greenpeace. Anrufe von Christine als Pressesprecherin gestalteten sich immer gleich: „Hier spricht Pahlich von Greenpeace –nein – GREENPEACE – ja, wie grüner Friede – wir sind eine internationale Umweltschutzorganisation, die…“. Die Variationen zum Namen, die am anderen Ende der Leitung geschaffen wurden, waren oft abenteuerlich und ließen Christine oft an ihrer Fähigkeit, richtig zu artikulieren, zweifeln, so gelten wir bei der Vereinspolizei während eines längeren Gesprächs beharrlich als „Green Beach“…

Wir teilten uns in mehrere Arbeitsgruppen. Da gab es die Chemie-Gruppe, die sich um den sauren Regen kümmerte, eine Gruppe beschäftigte sich mit allen Dingen im Zusammenhang mit Artenschutz, Robben und Walfang, eine Gruppe, die ich leitete, beschäftigte sich mit Atomkraft, Strahlung und Atomversuche. Eine Gruppe erforschte innerösterreichische Umweltprobleme, eigentlich eine Gruppe, die gar nicht existieren dürfte, nach Meinung von Greenpeace International. Dann war da auch noch die Mediengruppe, die ich im Alleingang betrieb. Christine machte Artenschutz, Chemie und Pressesprecherin. Alle vorgestellten Ergebnisse der einzelnen Gruppen, mussten einmal wöchentlich im Plenum an das Führungsteam gemeldet werden und wenn es tauglich war, wurde ein Kampagnenteam aufgestellt, das unter unserer Leitung, die Aktion durchführen sollte. Ich produzierte am laufenden Band Sticker und Info-Material und auch eine Zeitung begann Gestalt anzunehmen.

Die wöchentlich stattfindenden Plena waren eine Mischung aus Erzählen, Streiten, Einteilung, Zukunftsplanung und Schulterklopfen. Einmal im Monat fassten wir alle an Mitarbeit interessierten Leute zu einem Treffen zusammen, wir brauchten dringend mehr Leute, die mittun und helfen, die meisten, oder zu mindestens viele, erschienen nur nach Lust und Laune und freier Zeit. Vor allem fehlten uns Leute, die bereit waren für unsere Arbeitsgruppen Verantwortung zu übernehmen.

Wegen des sauren Regens besuchten wir den Wienerwald und markierten einige bereits etwas krank aussehende Bäume mit Kreidestrichen, Presse war dabei und machte Fotos, das war wenig beeindruckend. Drei Jahre später habe ich diesen Ort im Wienerwald wieder besucht und musste über hundert Meter weiter gehen, um auf Bäume zu stoßen, die von uns bezeichneten und einige mehr, waren schon gefällt worden…

Der Wienerwald trocknet durch den sauren Regen aus und viele Bäume müssen gefällt werden

Eine Aktion war von mir ausbaldowert worden, die aber leider für die Presse nicht sehr interessant war, weil es sie selbst für 14 Tage schwer behindern würde. Da ich in einer Druckerei arbeitete, war für mich das Thema Papierfabrik und die dadurch erfolgende Verschmutzung der Flüsse ein nur allzu bekanntes Thema. Wir nahmen uns die Papierfabrik in Laakirchen vor. Zu Beginn der Fließstrecke an der Papierfabrik vorbei, wurde das saubere Wasser aus der Traun entnommen und nach der Papierverarbeitung dann fast ungefiltert in die Traun zurückgeleitet. Wir nahmen Proben unterhalb der Papierfabrik aus der Traun, stellten fest, dass die Traun auf Kilometer eine starke Verschlechterung der Wasserqualität unterhalb der Papierfabrik aufwies.

Wir fragten während einer Führung durch die Papierfabrik in Laakirchen, als interessierte Gruppe, wie das Wasser eigentlich gefiltert würde und was es für Auswirkungen hätte, wenn das Wasser bei einem Starkregenereignis und bei Hochwasser in die Anlage käme. Ja, das wäre schon einmal vorgekommen und hatte zur Folge gehabt, dass die Anlage einer 14-tägigen Reinigung unterzogen werden musste, da man unbedingt sauberes Wasser für die Papierverarbeitung verwenden müsse.

Unsere Vorgangsweise war damit klar umrissen: Wir würden das Meterdicke Abflussrohr verstopfen und das Abwasser mit einem dicken Schlauch oberhalb der Papierfabrik wieder einleiten. Eine echte Nacht- und Nebelaktion, da die Arbeiter uns am Tag sicher nicht lange an den Abflüssen hantieren lassen würden. Glücklicher Weise musste der Schlauch nicht allzu lange sein, es genügten etwa 30 Meter, die eigentliche Schwierigkeit wäre das Verstopfen des Ausflusses und wir wussten nicht, wie lange wir den Schlauch liegen lassen mussten, bis die gewünschte Wirkung eintreten würde.

Das war der Plan, aber nach Rückfrage bei unserem Rechtsanwalt beließen wir es bei einer Anzeige. Hätten wir den Plan verwirklicht und es wäre für 14 Tage die Erzeugung stillgestanden (so lange hätte die Reinigung der Anlage gedauert), hätten wir für die Kosten des Stillstands aufkommen müssen, was uns, zusammen mit den Reinigungskosten Millionen gekostet hätte. Das war uns natürlich viel zu riskant und wir entschieden, dass eine Anzeige an die Behörde genügen müsste, nachdem wir die enorme Verschmutzung unterhalb der Anlage beweisen konnten. Überraschender Weise wurde die Behörde tatsächlich tätig und die Firma wurde dazu verdonnert, eine Kläranlage zu errichten und für den Schaden aufzukommen, der durch Jahrzehntelange ungeklärte Einleitung in die Traun zustande gekommen war. Die Kläranlage war dann auch für alle anderen Papierfabriken in Österreich das Maß aller Dinge! Ein guter Erfolg für die Umwelt, aber absolut nicht Medienwirksam, da sich dadurch für den Zeitungsdruck die Papierkosten erhöhten.

Etwas mehr Aufsehen weckte eine Aktion gegen französische, russische und amerikanische Atomtests. Ich hatte schon seit etwa 1980, zusammen mit zwei anderen aus der Jungen Volkspartei, Thomas und Barbara Brandtner, an den Friedenskonferenzen teilgenommen, war daher in der Friedensbewegung sehr bekannt. Mit Transparenten zogen wir von Botschaft zu Botschaft, um unsere Protestnoten zu überreichen. Freiwillig wurden wir nirgends empfangen, also mussten wir zu einem Trick greifen:

Mehrere Greenpeacer riefen vom Büro, von zu Hause und von damals noch häufigeren Telefonhütten in der jeweiligen Botschaft an, bis für die keine Möglichkeit mehr bestand zu arbeiten. Irgendwann ist dann immer ein Botschaftsangestellter herausgekommen und hat unsere Note entgegengenommen. Zu dieser Demonstration erhalten wir auch den ersten Besuch von Greenpeace International: John Frizell und Douglas Faulkner sollen uns unter die Lupe nehmen. Wir schleppten sie bei strömenden Regen mit zu den Botschaften, sie zeigten sich höflich beeindruckt…

Am Abend luden wir sie privat auf eine Wiener Sightseeing- und Lokaltour ein. Sie erwiesen sich als bestkonditioniert – als allen anderen bereits die Augen zufielen, finden sie noch immer alles „Wonderful“.

Auch Douglas Faulkner, dem Finanzchef von Greenpeace International, ein Mann durch dessen Hände mehrere Millionen Dollar flossen, hatte noch nie im Leben mit Messer und Gabel gegessen (Burger und auch Hotdogs kann man mit der Hand essen), wurde im Cafe Dommeier in Hietzing ein Schnitzel gekauft, das ihn vor größere Probleme stellte, weil er mit dem Messer verzweifelt darauf herumhackte. Wir haben ihm das Riesenschnitzel in kleine Stücke zerschnitten und er hat es dann mit dem Löffel hineingeschaufelt und sichtlich genossen. Wir hofften, jetzt auch ein wenig finanzielle Hilfe von Greenpeace International zu erhalten…

Wir ließen keine Gelegenheit aus, Infostände möglichst publikumswirksam zu gestalten. Anfang Juli wurden wir zum Jazzfestival nach Waidhofen an der Thaya eingeladen. Wieder einmal, bei zum Teil strömenden Regen, zelten wir dort und waren froh, schon Videofilme von den internationalen Aktionen zu haben, denn der Fernseher dort übte eine magische Wirkung auf das völlig durchnässte Publikum aus.

Die Teilnahme an der Menschenkette durch Wien Anfang Oktober 1983, bei der ich, als Russe verkleidet, einem als Amerikaner verkleideten Greenpeacer über die Kette hinweg, einen etwa 80cm im Durchmesser großen Globus aus Stoff zuwarf. Die Welt als Spielball der Mächte!

In der Zwischenzeit bildete sich langsam eine neue Partei, die Grünen. Einer der ersten Vertreter war der Steyeregger Vizebürgermeister Josef Buchner.

Josef Buchner

Er hatte sich seit 1980 bei den Vereinten Grünen engagiert und in Steyeregg die Steyeregger Bürgerinitiative für Umweltschutz gegründet (SBU). Er setzte sich damals besonders gegen die Luftverschmutzung durch die Chemie Linz ein. 1983 errang er auch den Vorsitz bei den Vereinten Grünen Österreichs. Eines seiner Themen war die 2-4-5T-Trichlorphenolanlage in der Chemie Linz. 2,4,5-T war bekannt geworden, da es das Seveso Gift Dioxin enthält und in Österreich als Unkrautvernichtungsmittel an Bahndämmen ausgebracht wurde.

Die Aktion gegen die Chemie-Linz

Streitpunkt war die am 19. Juli geschlossene Trichlorphenolanlage bzw. die Ankündigung, diese in Kürze wieder zu eröffnen. Unmittelbarer Anlass war der Rücktransport der Giftfässer von Stettin wieder nach Linz. Die besagte Trichlorphenolanlage dient der Erzeugung von 2,45T, einem umstrittenen, hochgiftigen Unkrautvernichtungsmittel, einem sogenannten Herbizid. Bei der Produktion dieses Herbizids fällt als Nebenprodukt unweigerlich Dioxin an, eine der giftigsten Substanzen, die der Mensch je synthetisiert hat ( es wirkt 67.000 mal giftiger als Zyankali und 500 mal giftiger als Strychnin). Als „Seveso Gift“ erlangte es traurige Berühmtheit, als es nach einem Betriebsunfall 1 Million m2 Land total verseucht und unbewohnbar gemacht, schreckliche Erkrankungen und Entstellungen besonders unter den Kindern hervorgerufen hat. Da Dioxin sich in der Nahrungskette anreichert, kann man sich dessen kaum mehr entledigen! Aber auch das Herbizid 2,4,5T selbst (das übrigens praktisch immer mit Spuren von Dioxin verunreinigt ist) hat mehr Schatten- als sonstige Seiten aufzuweisen:

Krebserregende Wirkung: erhöhtes Risiko von Gewebetumoren, Magenkrebs, Leukämie und Lymphdrüsenkrebs, Missbildungen bei Embryonen, nach Sprühaktionen mit 2,4,5T auf Kulturwälder in Oregon, USA, häuften sich die Tot- Früh- und Missgeburten. Speicherung in den Hoden (Hormonstörungen). Erbgutschädigende Wirkung: Grauenhafte Missbildungen bei Nachkommen der den Vietnamkrieg überlebenden Menschen (2,4,5T und 2,4D wurden als chemische Waffen eingesetzt). Umweltschäden: Giftwirkung auf Weiden, auf Pilze, Beeren, und auf nützliche Mikrofauna – empfindliche Störung des biologischen Gleichgewichtes in einem nicht im mindesten abzugrenzenden Bereich.

Ich setzte mich mit Buchner in Verbindung und der brachte uns mit Hanswerner Mackwitz, einem für die Grünen arbeitenden Chemiker, zusammen. Unabhängig von GP Deutschland arbeiteten wir eine Aktion gegen die Chemie Linz aus. Es wurden Zeitungen und der ORF eingeladen, die an der Aktion medial mitwirken sollten. Im langgestreckten Garten von Josef Buchinger nähten wir ein 50 Meter langes Transparent zusammen, ich entwarf die Aufschrift und malte sie zusammen mit anderen Greenpeacern aus. „Keine Trichlorphenolproduktion – kein Dioxinabfall“ war die Aufschrift auf dem Transparent, das wir unter der Donaubrücke bei der Hafeneinfahrt der Chemie Linz anbringen wollten.

Im Juli 1983 kam es häufig zu Demonstrationen wegen des immer wieder verschobenen Abbaus der Trichlorphenolanlage, da die Chemie Linz nichts davon wissen wollte. Die lukrative Herstellung von diesem Unkrautvernichtungsmittel würde 150 Leuten Arbeit geben, die schweren Erkrankungen mancher Arbeiter wurden heruntergespielt. Wir arbeiteten eine Aktion aus, es sollten Fässer angekauft werden. Wir hatten in der Zwischenzeit für jedes Mitglied Overalls gekauft, auf die vorne und hinten ein Buchstabe des Wortes „Greenpeace“ geschrieben stand. Zwei Leute sollten ins Werksgelände eindringen und die Trichlorphenolanlage erklettern. 10 Leute wurden mit den Overalls bekleidet und sollten mit Fässern die Einfahrt in die Chemie Linz blockieren. Christine und Hanswerner Mackwitz sollten sich bereithalten, um bei einer in Linz stattfindenden Pressekonferenz, zu Fragen zu der Aktion Stellung nehmen zu können. Die Fässer mit Aufschrift DIOXIN waren auf einen Lastwagen verladen, ein FAX mit der Aktionsplanung war nach Deutschland geschickt worden, alles stand am Dienstag, den 4. Oktober 1983 bereit!

Zu der Zeit hatte ich viele Überstunden in meiner Firma zu leisten, ich konnte nur von Wien aus die Vorbereitungen leiten, das Fax abschicken und die Leute nach Linz verabschieden. In den frühen Morgenstunden des 5. Oktobers fuhren dann alle nach Linz, teilweise aus Steyeregg, wo die meisten Vorbereitungsarbeiten geleistet worden waren. Ich hatte ab Mittag Dienst und verbrachte den Vormittag im GP-Büro, um etwaige Anrufe von Presse oder GP-International entgegennehmen zu können. Als ich um 7:00 Uhr ins Büro kam, entdeckte ich ein Fax aus Deutschland worauf stand: „Alle Vorbereitungen für die Aktion sofort einstellen, viel zu gefährlich!“ Hmm, da war damals allerdings nichts mehr zu machen, die Aktion war für 7:00 geplant, die Leute schon lange vor Ort und Handys gab es damals noch nicht.

Am 5. Oktober morgens also startete dann die erste große Aktion der österreichischen Greenpeace-Aktivisten. Um 3 Uhr klettern zwei Greenpeacer in selbstgenähten, täuschend ähnlichen Werksanzügen in das Werksgelände und warten dort die Dämmerung und eine gute Gelegenheit ab, um, ausgerüstet mit einem Transparent („Nie wieder Seveso“), einen Teil der umstrittenen Trichlorphenolanlage zu besteigen. Gleichzeitig machen sich 2 Paddler bereit, in einem Boot auf ein 50 Meter langes Spruchband („Keine Trichlorphenolproduktion – kein Dioxinabfall“) zu warten, dass ihnen mittels VW-Bus ans Ufer geliefert werden soll und dass sie als Sperre von einem Ende der Werkshafeneinfahrt zur anderen spannen sollen. 10 andere Aktivisten stecken mittlerweile schon nervös („hoffentlich ist mit den beiden auf dem Gelände auch alles in Ordnung“) in gelben Overalls und besprechen nochmals, wer und in welcher Reihenfolge welche von den 20 Fässern abzuladen und aufzustellen hätte, damit die symbolische Blockade der Werkseinfahrt um 7 Uhr früh auch wirklich klappt. Aneinandergereiht sollen die Fässer den Schriftzug „Stopp Dioxinerzeugung“ ergeben, die 10 Leute, die die Fässer zu erklimmen hätten, ergäben mit ihren aufgenähten Buchstaben das Wort „Greenpeace“. Bei den Proben hat es auch gut geklappt und es wurde um jede Sekunde gerungen, die man noch einsparen konnte. Die beiden Leute für das Monstertransparent auf der Steyeregger Brücke („Vernunft statt Herbizide“) frieren auch bereits im dichten Nebel über der Donau. Das Warten auf den Morgen ist das Schlimmste: unerbittlich tickt der Wecker in den beklemmenden Gesprächspausen – befreiend, als es endlich so weit ist: alle zehn in einen VW-Bus, alle zwanzig Fässer auf einen LKW – ab in Richtung Werkseinfahrt.

Bei der Ankunft ist klar: man wird erwartet! Eine größere Menschenmenge vor dem Tor, die sichtlich irgendeines Ereignisses harrt, Schaulustige erwartungsvoll aus den Fenstern des gegenüberliegenden Espressos gelehnt. Die Entscheidung muss rasch fallen: man wird die „Aktion Fässer“ dennoch versuchen. Doch kaum werden die ersten Tonnen abgeladen, als sich schon die Menge auf die 10 Leute stürzt und mit unglaublicher Brutalität anscheinend schon lange aufgestauten Aggressionen Luft macht. Feindbild: Umweltaktivisten. Als die blinden Wutausbrüche solche Formen annehmen, dass bereits Werksangehörige wie bei einer Wirtshausprügelei auch aufeinander und auf Reporter loszugehen beginnen, brechen die Greenpeace-Leute ihr Vorhaben ab und versuchen die Fässer wieder aufzuladen, was ihnen gar nicht so leicht gemacht wird. Für die Arbeiter vorbereitete Flugblätter, in denen man auf die vielen Unfälle bei der Trichlorphenolerzeugung hinweist, bei denen schon 2000 Arbeiter schwerste Schäden erlitten haben, werden den Greenpeace-Leuten aus der Hand gerissen und ins Gesicht geschleudert.

Das Greenpeace-Team zeigt den Gewerkschaftern der Chemie Linz das Wort „Peace“

Die Meinungsbildung von der Werksleitung her war zu perfekt. Das Schreckgespenst Arbeitslosigkeit macht sehr gefügig. Man will die Menschenmenge nicht dazu provozieren, sich selbst zu gefährden, also Abbruch der Aktion. Die Sperre der Hafeneinfahrt mit dem großen Transparent wird zwar noch durchgeführt, da sich die eigentlichen Ereignisse am Firmengelände abspielten und die Greenpeacer auf der Brücke noch nicht entdeckt waren. Die ganze Sorge gilt nun den beiden im Werk auf der Anlage selbst. Mittels Funks erfahren die GP-Leute, dass sie bereits entdeckt sind. Man rät ihnen, kein Transparent zu entrollen, und wenn möglich, die Anlage nur unter Polizeischutz zu verlassen. Polizeischutz ist anscheinend gar nicht so leicht zu bekommen – man soll nur nach Verletzungen einschreiten. Schließlich klettern die beiden unter Aufsicht der Werksleitung (einer davon vertritt beharrlich die Meinung, man möge die Demonstranten den Arbeitern ausliefern…), wieder hinunter und werden durch die johlende Menschenmenge durchgeschleust. In einer anschließenden Pressekonferenz sitzen erleichterte Aktivisten erleichterten Reportern und Fotografen gegenüber, die auch froh darüber sind, keine ernsten Verletzungen davongetragen zu haben.

Wie ich dann in den Mittagsnachrichten erfuhr, war die Schlacht zu diesem Zeitpunkt auch schon geschlagen. Etwa 300 Chemie Linz-Arbeiter hatten unsere Leute empfangen, geschlagen, getreten, mit den Fässern beworfen und die, sich nicht wehrenden, aber sehr bald flüchtenden Greenpeacer durch Linz gejagt. Erst durch ein Großaufgebot an Polizei, konnten sie gerettet werden. Die Zeitungen waren voll mit den Bildern der Schlacht, im Zeit im Bild wurden die Prügelszenen gezeigt. Die schockierte Christine sammelte die Leute ein und in einer Pressekonferenz wurde versucht, klarzumachen, warum wir diese Aktion gemacht hatten. Natürlich wollten wir den Arbeitern nicht die Jobs wegnehmen, wir wollten auf die Gefährlichkeit des Dioxins hinweisen, wir wollten eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse für die Leute erreichen.

Pressekonferenz nach der Schlacht

Die Presseberichte bewirkten, dass Greenpeace in Österreich blitzartig bekannt wurde. Wir hatten einen enormen Zulauf an Mitgliedern, Christine wurde in den „Club 2“ eingeladen. Vom Moderator wurde sie gefragt, ob sie sich gleich an das Sofa ketten will, während der Diskussion hat sie dann aber sehr gut unsere Aufgabe in Österreich klarlegen können. Von Seiten GP-International herrschte zuerst eisiges Schweigen, aber ein Monat später beim Councel-Meeting in Lewis gratulierte mir David McTaggert zu der Aktion und wir wurden in den Kreis der stimmberechtigten Länder aufgenommen. Allerdings verlangte David, dass wir am Ball bleiben sollten, da es ja noch kein endgültiges Ergebnis von dieser Aktion gab. Die ganze Sache war allerdings durch unsere Aktion ins Rollen gebracht worden. In Deutschland hat es einige schwere, durch Dioxin hervorgerufene Unfälle gegeben, in Seveso wurde die Giftfabrik abgebaut, das Trichlorphenol wurde nach Polen geschickt und die Anlage in Linz vorübergehend stillgelegt. Für das Abhängen des großen Transparents unter der Brücke bei der Hafeneinfahrt bekamen wir noch eine Polizeistrafe von 500.-öS aufgebrummt: Wegen Blockierung der Schifffahrt!

Da die Anlage nur vorrübergehend stillgelegt worden war, mussten wir uns auch noch weiterhin damit beschäftigen, wir blieben am Ball!

Georg Danzer und Wolfgang Ambros

Zu der Zeit hat Georg Danzer ein Lied geschrieben, dass 1983 für 13 Wochen in den Medien war: „Der Zombieball“! Genau das war die zündende Idee für mich, ich fragte bei seinem Manager an, ob ich mit ihm über eine Aktion reden könne, die ich für den Februar 1984 geplant hatte. Ein Treffen wurde mir zugesagt und plötzlich war ich in die damalige Künstlerszene integriert! Georg war begeistert von der Idee, in Linz einen Zombieball zu veranstalten, nur wäre er zu der Zeit im Ausland und kann für das nächste halbe Jahr in Österreich keine Auftritte planen. Natürlich darf ich sein Lied vorspielen lassen, aber viel besser wäre es, wenn Fendrich oder Ambros dort live auftreten würden. Er würde sich bei beiden dafür einsetzen! Mir verehrte er noch das frisch gepresste Album „Menschliche Wärme“, welches er mir auch signierte. Er hielt Wort und hat sowohl Reinhard Fendrich, als auch Wolfgang Ambros darauf angeredet: Fendrich sagte sofort ab, für solche Sachen hätte er keine Zeit, aber Wolfgang Ambros, der zu der Zeit in München Aufnahmen geplant hatte, sagte zu.

Manfred Deix

Mit Manfred Deix traf ich mich in seinem Wohnzimmer Café Museum. Er saß dort an einem Ecktisch neben einem Ofen zusammen mit seiner Frau. Was heißt er saß, er hielt Hof, er residierte! Der Tisch schien auch ihm zu gehören, jedenfalls hätte sich niemals jemand dort unaufgefordert hinsetzen dürfen! Die Kellner des Café Museum waren angewiesen den Tisch, auch bei ärgstem Besucherandrang, immer als „Besetzt“ zu kennzeichnen. Nun also, ich hatte die Ehre an seinem Tisch Platz nehmen zu dürfen! Es entspann sich schnell eine längere Diskussion über unser beider Aufenthalt an der Graphischen, mit Zerpflückung der einzelnen Professoren, Erzählung von Anekdoten darüber, um langsam dann auf das eigentliche Ziel unserer Zusammenkunft zuzusteuern, wir wollten als Greenpeace ein, mit allen Qualitäten eines Manfred Deix ausgestatteten Merkmalen gemaltes Einladungsplakat zum Zombieball in Linz erwirken.

Irgendwie stellte sich das Thema allerdings komplizierter für Manfred dar, als ich gedacht hatte. Er hatte keinen wirklich zündenden Gedanken zu der ganzen Angelegenheit und er forderte mich auf, ein wenig von der GP-Aktion im Juli zu erzählen. Ich glaube, ich verbrachte geschlagene 3 Stunden in dem Kaffeehaus, umweht von heimeligen Katzengerüchen und dem Parfum der Frau Deix, der sich mit Fortdauer des Gesprächs, durch die ansteigende Ofenwärme nur verstärkte. Bei dieser schweren Geburt kam letztendlich ein, zwar kostenlos gemaltes, aber entsetzlich aussehendes und für Greenpeace sehr teures Plakat, dabei heraus. Deix hatte das Gesicht eines Chemie-Linz-Arbeiters gemalt, übersät mit Chlor-Akne-Pusteln. Schlicht und einfach war dieses Plakat, entgegen unseren Hoffnungen, völlig unverkäuflich und wir blieben auf den gesamten Plakaten und natürlich den trotzdem zu bezahlenden Druckkosten sitzen. Die in Linz aufgehängten Plakate zur Ankündigung des Zombiballs wurden immer wieder abgerissen, so dass wir bald keine mehr zum Aufhängen hatten.

Vom 6. bis 9. November 1983 fand die Seafoodconference in der Hofburg in Wien mit Tagung der International Whaling Commission (IWC) statt. Wir waren von David McTaggert persönlich aufgefordert worden, eine Medienwirksame Aktion zu starten und vor der Hofburg eine Kundgebung abzuhalten. In der Gruppe wurde darüber diskutiert, ob wir von einer Firma einen Wal aus Styropor herstellen lassen sollten, oder lieber einen aufblasbaren Wal, beides hätte unser damaliges Budget schwer belastet und Spendengelder konnten wir in Österreich für diese Aktion kaum erwarten.

Ich schlug vor, dass ich für wenig Geld einen Wal aus Holz bauen könnte, was vorerst von allen unter Gelächter abgelehnt wurde. Hartnäckig, wie ich in solchen Dingen sein konnte, zeichnete ich einen Plan, wie das Ding aussehen sollte und begann mit einer Kostenaufstellung, die einen um ein Vielfaches geringeren Betrag ergab, als für dem aufblasbaren Wal zu bezahlen gewesen wäre.

Es war noch genügend Zeit bis zur Konferenz, der Plastikwahl wäre innerhalb von drei Tagen organisierbar gewesen, also durfte ich mich dran machen ihn zu bauen. Helfen wollte mir niemand dabei, keine Zeit, keine Lust, was auch immer. Mein Wal nahm trotzdem schnell Gestalt an und bald stand das Gerüst im Keller des WUK fertig da. Ich hatte einen schwarzen Samtstoff gekauft, der jetzt an diesem Gerüst angebracht werden musste. Dorli, die Freundin von Herbert Witschnig, ließ sich erweichen und nähte und schneiderte die Haut zusammen, die ich dann am Gerüst antuckerte.

Am Tag der Aktion wurde der Wahl über die Auffahrtsrampe aus dem Keller geholt. Um so Kleinigkeiten, wie Ausmessen des Tores, hatte ich mich natürlich nicht gekümmert. Zu viert trugen wir den Wal also ans Tageslicht, links und rechts und auch oben, waren gerade einmal je 1 cm Platz, aber wir schafften es: Das Glück des Tüchtigen war mir hold! Wir luden den Wal auf einen Lastwagen, der uns dann in den 1.Bezirk brachte, von wo aus wir die Genehmigung hatten, den Wal durch die Innenstadt zu tragen.

Dann die nächtliche Parade mit dem seitlich von TrägerInnen gehaltenen, blauen Samtmeer, das den beeindruckenden Wal umspannte, bei Violinenklang, eines unserer Mitglieder spielte einen Trauermarsch, brennende Fackeln wurden nebenher getragen, mit Trommeln wurde für uns Träger der Schritt geschlagen. Das mit den Trägern war dann wieder irgendwie lustig, ich war übrigens einer davon, da wir alle mit Sportschuhen bekleidet waren, konnte man auf den Fotos sehen, wie drei Paar helle Schuhe den Wal vorantrugen.

Es ging sinniger Weise durch die Walfischgasse zur Hofburg, wo dann die Kundgebung stattfand. Die ganze Sache war auch von Erfolg gekrönt, da sich David McTaggert in der Hofburg mit Neuseeland und noch einigen anderen Ländern, auf ein Moratorium zur Beschränkung der Walfangquoten für die nächsten 10 Jahre einigen konnte.

Councelmeeting

Mitte November 1983 fuhr ich als Trustee nach Lewis in England zum Councelmeeting von Greenpeace International. Herbert Witschnig ließ es sich nicht nehmen mich zu begleiten. Meine Englischkenntnisse waren auf relativ niedrigem Niveau da ich bis dahin nur das dürftige Schulenglisch vorzuweisen hatte und das lag schon 15 Jahre zurück. Es war weniger das schriftliche Englisch, das mir Probleme machte, als das gesprochene Englisch, da ich im Fernkurs für die Matura kaum die Möglichkeit hatte, zu sprechen.

Beim Meeting selbst, stellte sich heraus, dass ziemlich alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen Verständigungsschwierigkeiten hatten: Kanadisches, neuseeländisches, australisches, spanisches, französisches, deutsches, niederländisches, schwedisches, österreichisches, ja selbst englisches Englisch war so verschieden gefärbt, dass es kaum eine Rolle spielte, wie schlecht damals meine Aussprache war. Man konnte sich verständlich machen und nur das zählte! Die Vorsitzführung von David McTaggert war extrem streng und duldete keinerlei Zwischengespräche oder Zurufe, wie es bei uns im politischen Bereich eigentlich gang und gebe ist.

David McTaggart

Der Eine oder Andere wurde von David kurzerhand aus dem Saal gewiesen, wenn er sich nicht an die Regeln hielt. Die Gespräche rund um das Meeting waren die eigentlichen, wichtigen Bereiche, bei denen die zukünftige Politik ausgehandelt wurde, das Meeting selbst beschränkte sich auf die Verkündigung der im engsten Kreis beschlossenen Tatsachen, die im Meeting dann nur noch kurz, nach strenger Redeliste, diskutiert wurden. Von Basisdemokratie war da keine Spur zu merken, die ausgehandelten Punkte wurden dann auch fast unverändert beschlossen und festgeschrieben.

Die persönlichen Gespräche mit David waren also wichtig und dabei brachte ich meinen Unmut darüber zum Ausdruck, dass von den eingenommenen Spendengeldern eigentlich nichts zur Finanzierung der Projekte verwendet werden konnte, sondern der Hauptteil für die Finanzierung der Mailingfirma draufging und ich empfahl, dass für Österreich eine reiner Mitglieder-Aufbau erfolgen sollte, unter Ausschließung  der Mailingfirma, da ich nicht einsehen wollte, dass Menschen, die für die Robbenbabys spendeten, auch gegen den Sauren Regen spenden würden, also genauso als Mitglieder zählen sollten. 80% des durch Spenden eingenommenen Geldes ging an die Mailingfirma! Ich fand es unerträglich, dass sich Greenpeace Österreich von einer einzigen Firma abhängig machte, die auch fast das gesamte eingenommene Geld kassierte. Herbert Witschnig, der hinter unserem Rücken aber bereits einen Vertrag mit dieser Firma unterschrieben hatte, konnte in seinem Einzelgespräch mit McTaggert allerdings erreichen, dass in Österreich beide Wege versucht werden sollten, da in den Englischsprachigen Ländern das „Fundraising“ sehr gut funktionierte. Wir fuhren also mit dem schweren Rucksack zurück nach Hause, in dem beide Wege enthalten waren: Mein Weg, auf Leistung aufgebaute Sammlung von Mitgliedern, die uns mit Mitgliedsbeiträgen bei der Arbeit unterstützten und der Weg von Witschnig, wo ungezielt Menschen unter hohem finanziellem Aufwand, mit Bettelbriefen beschickt wurden, wo dann im Schnitt etwa 5% Rückläufe, mit unterschiedlichen Zahlungen, zu einer Mitgliedschaft führen sollte.

Es war nicht der erste Knacks in unserem leitenden Triumvirat und Herbert Witschnig sammelte fleißig Mitstreiter gegen uns. Zwei sehr kostspielige Großkäufe förderten auch unseren Unmut: Der ach so günstige VW-Bus, den Herbert ohne Rückfrage gekauft hatte, brach innerhalb einer Woche schrottreif zusammen und nahm uns 20% unseres zu der Zeit verfügbaren Budgets. Das zweite Kunststück war ein altes Kopiergerät, das in kürzester Zeit den Geist aufgab. Ich hatte bei einem Kopiergeräte-Händler nachgefragt, was das Leasing inklusive Service kosten würde und ging damit ins nächste Plenum, um festzustellen, dass Herbert ein Kopiergerät gekauft hatte, das so viel kostete, wie wir bei meiner Version für drei Jahre Leasing+ Service bezahlt hätten. Das Gekaufte musste, weil irreparabel, entsorgt werden und mein Gerät hat Greenpeace noch lange gute Dienste erwiesen.

Vor Weihnachten 1983 haben wir an verschiedenen Orten in Einkaufsstraßen und vor Pelzhändlern Christbäume mit blutigen Schaffellstücken am Baum hängend, aufgestellt, am Graben, in der Kärntner Straße und am Stephansplatz. Natürlich haben manche Geschäfte die Polizei gerufen, die uns dann wegen Geschäftsstörung abmahnen wollte, da wir aber eine gültige Bescheinigung hatten, dort demonstrieren zu dürfen und wir die Leute, die in die Geschäfte gingen, nicht belästigten, hatte die Polizei keine weitere Handhabe gegen uns. In einem Pelzgeschäft haben sie uns sogar Tee angeboten, was wir, trotz eisiger Kälte, abgelehnt haben.

Die Pressekonferenz bei der Arche Noah in der Shopping City Süd 1984

Der Jänner 1984 brachte eine Einladung der Shopping City Süd, wo wir, zusammen mit dem WWF, dem Institut für vergleichende Verhaltensforschung (Fernsehonkel König…), eine Ausstellung begleiten sollten. Weil der Geschäftsleitung der SCS unser Tabetentisch zu unfein war, schenkten sie uns kurzerhand einen riesigen Messestand, der für spätere Aktionen durch die großen Ausstellungstafeln noch sehr hilfreich war! Hinter unserem Stand war eine Riesen-Disneyland-Arche Noah aufgebaut, bestückt mit allem möglichen Getier, wie Giraffen, Elefanten und Löwen, die uns den ganzen Tag blöd zunickten. Ob es der Geschäftsleitung dann wirklich gefallen hat, dass wir über Mikrofon und Lautsprecher den Konsumwahn angeprangert haben, ist nicht überliefert. Unsere Ausstellungsbilder über die blutige Robbenjagd, Artenschutz und Pelzkaufkritik, ließen die Pelzgeschäfte, zähneknirschend, während der Nachtzeit bei sich im Geschäft unterstellen.

Zombieball mit Wolfgang Ambros

Im Februar 1984 veranstalteten wir wirklich den Zombieball in Linz! Durch die voran gegangenen Geschehnisse war es sehr kompliziert, einen geeigneten Saal in der Stadt zu bekommen, da sich alle vor Restriktionen durch die Chemie Linz fürchteten, aber im letzten Moment gelang es uns jemanden zu überzeugen. Wir hatten vor, eine Podiumsdiskussion zum Thema Trichlorphenolanlage zu veranstalten und im Anschluss daran sollte im selben Saal der „Zombieball“ stattfinden.

Podiumsdiskussion in Linz vor dem „Zombiball“

Es waren Vertreter der Chemie Linz, kritische Chemiker, Sachverständige, Ärzte und Politiker geladen, die über die Gefahren von Herbiziden, insbesondere von 2,4,5T diskutieren sollten. Christine fungierte als Diskussionsleiterin, um unabhängig von unserer bekannten Meinung zum Thema, den Zuhörern Gelegenheit zu bieten, sich selbst ein Urteil zu bilden. Die Diskussion fand unter reger Beteiligung der Linzer BürgerInnen statt. Alle noch hängenden Plakate in Linz wurden mit einem Hinweiszettel versehen, der den Standort, Tag, Uhrzeit und die Ankündigung enthielt, dass Wolfgang Ambros ab etwa 22 Uhr eintreffen würde, als Überraschungsgast! Nach der Diskussion leerte sich der Saal allerdings wieder und ich fürchtete schon, dass Wolfgang Ambros nur für Greenpeace ein Ständchen geben würde, der Saal war nicht wirklich als gut gefüllt zu bezeichnen und die Angelegenheit plätscherte so vor sich hin. Als sich dann gegen 22 Uhr außerhalb des Gebäudes eine Menschenmenge anzusammeln begann, fürchteten wir, wieder einem Angriff standhalten zu müssen, was trotz Polizei, doch wieder hätte unangenehm werden können.

Wolfgang Ambros beim Zombiball

Kurze Zeit später erschien Wolfgang Ambros und der Saal füllte sich sehr schnell mit den Ungläubigen, die sich vorher draußen angesammelt hatten. Wir hatten doch noch relativ gute Einnahmen an diesem Tag, Wolfgang Ambros spielte und sang etwa 1 Stunde lang von seinem, gerade in Produktion befindlichen Album und fuhr dann wieder in derselben Nacht zurück nach München! Vom Deix-Plakat konnten wir nicht eines zum Andenken mit nach Hause nehmen. Sie waren alle abgerissen worden und an einen Nachdruck war mit unseren Mitteln nicht zu denken…

Am 2. April 1984 war eine Aktion geplant, die in 7 Ländern Europas durchgeführt wurde, an der wir natürlich teilgenommen haben. Bei uns war es das NEWAG-Kraftwerk in Neunkirchen, das bestiegen werden sollte. Es wurde wegen des „sauren Regens“ demonstriert, der die Bannwälder in den Alpen zerstörte und damit auf die Grenzüberschreitende Verschmutzung hingewiesen. Eine sinnvolle Aktion, unsere jungen Kletterer, Gerhard Ullmann, der Däne Gert Sorensen bestiegen den Schlot in Neunkirchen, ließen ein Transparent von der Spitze herunter und die Fotos, die ich von dieser Aktion gemacht hatte, gingen im wahrsten Sinne des Wortes um die Welt.

Christine hatte einige Zeitungen eingeladen, Falter, Kronenzeitung, Kurier und ORF hatten Journalisten geschickt und der ORF brachte in den Nachrichtensendungen unsere internationale Aktion. Von Greenpeace wurde mein Foto mit dem „A“ für Österreich, dem „O“ für den 3. Buchstaben des Wortes „STOP“ und einer Reihe anderer Rauchfänge aus anderen Ländern, die Transparente mit den Buchstaben für die Worte „STOP ACID RAIN“, als Aufmacher in mehreren Zeitungen in Europa brachten.

Ich hatte vorher einige juristische Bedenken, ich erarbeitete mit Dr. Heinrich Wille, einem befreundeten Rechtsanwalt, wie wir einer empfindlichen Strafe entgehen könnten, wenn wir an der Aktion teilnehmen würden. Hausfriedensbruch war das geringste mögliche „Verbrechen“, das uns zur Last gelegt werden konnte, wichtig dabei war, dass die Gruppe der Kletterer maximal zwei oder höchstens drei Leute umfassen dürfte, um nicht als Bandenverbrechen eingestuft zu werden. Unser Zielobjekt war eben das Kraftwerk in Neunkirchen, es sollte klar gemacht werden, dass Kohlekraftwerke als Hauptverursacher der Schwefelemissionen und damit des sauren Regens gelten würden und es galt, um eine bessere Filterung der Abgase zu ringen. Gegen unsere Anordnung wurde basisdemokratisch ein Viererteam bestimmt, das in die Anlage eindringen sollte und an der Spitze, so sie dorthin gelangen würden, ein Transparent entrollen sollten. Beim Überklettern des Zauns gab es erste Probleme da es nur drei Leute schafften, diesen zu übersteigen. Der Werkdienst hielt den letzten an, Herbert Witschnig, Maria Hennings schaffte es gerade noch über den Zaun, verlor dabei aber den lebenswichtigen Rucksack mit der Verpflegung und was noch viel wichtiger war, mit den Gasmasken. Zwei, Gerhard und Gert, schafften es bis oben und konnten das Transparent entrollen und befestigen, mussten dann aber zur mittleren Blattform absteigen, um von den Abgasen nicht vergiftet zu werden. Um etwa 18:30 sind sie dann wieder abgestiegen, sie hatten ja nichts zu essen und Anfang April war es in der beginnenden Nacht auch ziemlich kalt und windig.

Die legendäre Ledergarnitur des Club 2

Als Nachwirkung auf diese Aktion bekommen wir eine Einladung in den Club2 zum Thema Waldsterben, wo man, offensichtlich in alter Club2 -Unterhaltungsstrategie, von Christine ein Kuriosum zur Auflockerung erwartete. Vor der Sendung wurde sie dann auch wieder gefragt, ob sie sich an die Ledergarnitur ketten werde! Sie hat die Herren diesbezüglich aber enttäuscht, ihre Sache aber, im Sinne des Themas sehr gut gemacht.

Die darauffolgende Gerichtsverhandlung Ende Mai war irgendwie lustig, die NEWAG hatte uns geklagt wegen Hausfriedensbruch und einem terroristischen Überfall, der angeblich darauf abgezielt hätte, ihnen die Besitzrechte an dem Kraftwerk streitig zu machen! Wir klagten die NEWAG wegen Rufschädigung und Betreiben eines völlig ungefilterten Kraftwerks und massiver Schädigung der Umwelt. 

Auch nach unserem Rücktritt bei Greenpeace Österreich bekamen wir im Jänner 1985 eine Zeugenladung zu der damaligen „Strafsache“.

Die Angelegenheit am Landesgericht für Strafsachen in Wien dauerte dann vielleicht nicht ganz 2 Stunden. Es gab Ehrenerklärungen in beiden Richtungen, es wurden Zeugen befragt, die vor Ort die Angelegenheit mitverfolgt hatten, Journalisten, Polizisten, ein Wachmann des Kraftwerks, der die Geschichte etwas ausschmückte, indem er behauptete, er hätte die Kletterer gestellt und nur die Zwei weiter klettern lassen müssen, da er sonst womöglich 17 Meter tief hinuntergestürzt wäre. In Wirklichkeit ist er, laut Aussage der Journalisten, erst viel später vor Ort erschienen und konnte nur Maria und Herbert der Polizei übergeben, was diese bestätigten.  Da sowohl der Richter als auch der klagende Generaldirektor der niederösterreichischen Elektrizitätswirtschaft uns sehr wohlwollend anhörten und es natürlich auch bereits bekannt war, dass die Aktion in 7 Ländern Europas zur gleichen Zeit mit gleichem Ziel stattgefunden hatte, waren die Gespräche dort ziemlich freundlich. Der Direktor versprach sogar, dass für dieses Kraftwerk bald eine verbesserte Filteranlage gebaut werden soll. Da es nur zwei Leute geschafft hatten über den Zaun zu gelangen, einigte sich der Richter mit dem Direktor auf eine Verwarnung, wenn wir dieses Kraftwerk in Zukunft nicht mehr besteigen würden.

Rücktritt bei Greenpeace

Jetzt setzten sich leider einige Greenpeace-Interne Scharmützel fort, die Zweiteilung unseres Haufens wurde immer deutlicher. Eine Gruppe unter Herbert Witschnig wollte ausschließlich Bettelbriefe schreiben lassen und arbeitete längst schon mit der Mailing-Firma zusammen, um möglichst viele Mitglieder zu keilen. Die andere Gruppe arbeitete an der Ausarbeitung von Aktionen gegen Atomkraft, Wasserverschmutzung und Möglichkeiten der nachhaltigen Energiebereitstellung. Dieser Gruppe gehörte Christine und ich an, war aber halt sehr arbeitsaufwendig und nicht im Sinne mancher Studenten, die natürlich lieber weniger arbeiteten. Es kam im Juli 1984 zu einer Art Mitgliederfeststellung, da wir in einer Wahl darüber entscheiden wollten, welchen Weg Greenpeace in Österreich nehmen sollte, den der fachlichen Arbeit, oder den des Betrugs an den „Mitgliedern“. Die Wahl fand statt und wir verloren um eine Stimme (5:6). Natürlich hätten wir weitermachen können, aber uns war die „Arbeit“ der anderen Greenpeacer so zuwider, dass wir uns zum Rücktritt entschlossen.

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