1.Teil_Gastautor Franz Grolig
Der Oktober markiert den Übergang vom üppigen Sommer hin zu den ruhigen und oft harschen Monaten des Winters. Im Wald vollziehen sich in dieser Zeit bemerkenswerte biologische und ökologische Prozesse. Pflanzen, Tiere und das gesamte Ökosystem bereiten sich auf die kommenden kalten Monate vor. Ein genauerer Blick auf das, was in der Natur – insbesondere im Wald – im Oktober geschieht, bietet ein faszinierendes Bild dynamischer Wechselwirkungen.
Die Laubfärbung – Biochemie in den Blättern
Das auffälligste Phänomen des Oktobers ist wohl die Färbung der Blätter. Der Prozess der Herbstfärbung wird durch eine Kombination von Umweltfaktoren und biochemischen Vorgängen in den Blättern ausgelöst:
Chlorophyllabbau:
Chlorophyll, der grüne Farbstoff, der für die Photosynthese verantwortlich ist, wird abgebaut, wenn die Tage kürzer und die Temperaturen kühler werden. Der Baum spart dadurch Energie, da er die Photosynthese reduziert und sich auf den Winter vorbereitet.
Carotinoide und Xanthophylle:
Diese Pigmente sind bereits in den Blättern vorhanden, werden aber normalerweise vom Chlorophyll überdeckt. Carotinoide verleihen Blättern die goldenen und gelben Töne, während Xanthophylle gelblich wirken.
Anthocyane:
Die roten und violetten Farbtöne, die man oft bei Ahornbäumen oder Heidelbeeren sieht, werden durch Anthocyane erzeugt. Diese Pigmente werden im Herbst gebildet und könnten den Baum vor übermäßigem Licht schützen oder als Frostschutz wirken.
Dieser Farbstoffwechsel ist ein Zeichen dafür, dass der Baum seine Ressourcen neu verteilt und Nährstoffe aus den Blättern in den Stamm und die Wurzeln zieht, um die Winterruhe zu überstehen. Der Abbau von Chlorophyll erfolgt unter der Kontrolle von Phytocromen, die auf Licht- und Temperaturveränderungen reagieren.
Der Laubfall – Vorbereitung auf den Winter
Mit der Färbung der Blätter setzt bald der Laubfall ein. Bäume werfen ihre Blätter ab, um Wasser zu sparen, da in den kalten Monaten die Wasseraufnahme aus dem Boden reduziert ist. Der Abwurf der Blätter erfolgt durch den Abszissionsprozess:
Abszissionszone:
An der Basis des Blattstiels entwickelt sich eine Zone aus schwachen Zellen, die den Stiel von der Hauptpflanze trennt.
Dieses Hormon fördert den Prozess, indem es das Zellgewebe abbaut und so den Blattabwurf unterstützt.
Der Laubfall trägt auch zum Nährstoffkreislauf bei, da die Blätter auf dem Waldboden verrotten und Humus bilden, der wiederum den Boden mit Nährstoffen anreichert.
Warum Nadelbäume ihre Nadeln behalten – die Ausnahme der Lärche
Während Laubbäume ihre Blätter abwerfen, behalten die meisten Nadelbäume wie Fichten, Kiefern und Tannen ihre Nadeln. Dies liegt daran, dass ihre Nadeln an raue, winterliche Bedingungen angepasst sind.
Wasserersparnis:
Nadelbäume haben Nadeln mit einer geringeren Oberfläche als Laubblätter, was den Wasserverlust minimiert. Zusätzlich sind Nadeln oft mit einer wachsartigen Schutzschicht (Cuticula) überzogen, die den Wasserverlust weiter reduziert. Dadurch können Nadelbäume auch im Winter Photosynthese betreiben und ihre Ressourcen effizient nutzen.
Frostresistenz:
Die Nadeln sind frostresistenter als Laubblätter und können so selbst bei kalten Temperaturen überleben. Dies gibt Nadelbäumen einen evolutionären Vorteil, da sie über das ganze Jahr hinweg Photosynthese betreiben können und sich nicht auf eine kurze Vegetationsperiode beschränken müssen.
Eine Ausnahme bildet die Lärche. Obwohl sie ein Nadelbaum ist, verliert die Lärche im Herbst ihre Nadeln. Dies geschieht, weil Lärchen in kälteren, oft höher gelegenen Regionen beheimatet sind, wo extreme Winterbedingungen herrschen. Der Nadelverlust hilft der Lärche, den Energieaufwand im Winter zu minimieren und sich auf den Schutz ihrer Wurzeln und des Stammes zu konzentrieren.
Tiere im Wald – Vorbereitungen für den Winter
Während die Pflanzenwelt sich zurückzieht, sind viele Tiere im Wald damit beschäftigt, sich auf den Winter vorzubereiten:
Foto© Klaus Pahlich
Nahrungssuche und Vorratsspeicherung:
Viele Tiere, wie Eichhörnchen oder Mäuse, sammeln Vorräte für den Winter. Besonders in Mischwäldern, wo Eichen und Buchen wachsen, ist der Oktober die Zeit der Eicheln und Bucheckern. Diese sind nahrhaft und eine wichtige Energiequelle für viele Waldbewohner.
Foto© Klaus Pahlich
Winterschlaf und Winterruhe:
Tiere wie der Igel, der Siebenschläfer oder die Fledermaus beginnen, Fettreserven anzulegen, da sie in den kommenden Monaten in den Winterschlaf gehen werden. Dabei reduziert sich ihr Stoffwechsel auf ein Minimum, um Energie zu sparen. Andere Tiere, wie das Rotwild, halten eine Winterruhe und sind weiterhin aktiv, reduzieren jedoch ihre Bewegungen, um Energie zu sparen.
Zugvögel:
Im Oktober machen sich viele Vogelarten auf den Weg in wärmere Gefilde. Arten wie der Kuckuck oder der Storch ziehen gen Süden, um den Winter in Regionen mit besserem Nahrungsangebot zu verbringen.
Bodenleben und Ökosystemprozesse
Im Boden des Waldes passiert im Oktober ebenfalls einiges. Die sinkenden Temperaturen und die zunehmende Feuchtigkeit fördern die Tätigkeit von Pilzen, Bakterien und Bodentieren. Der Zersetzungsprozess von Laub und anderen organischen Materialien ist im vollen Gange. Mykorrhiza-Pilze, die in Symbiose mit Bäumen leben, spielen eine zentrale Rolle im Nährstoffaustausch. Diese Pilze versorgen die Bäume mit wichtigen Mineralien und Nährstoffen aus dem Boden, während sie im Gegenzug Kohlenhydrate erhalten.
Foto© Klaus Pahlich
Auch Pilze selbst sprießen im Oktober zahlreich aus dem Boden. Die oft als „Fruchtkörper“ bezeichneten Teile, die wir sehen, sind nur ein kleiner Teil des weitläufigen unterirdischen Netzwerks, das entscheidend für die Zersetzung organischen Materials und die Wiederverwertung von Nährstoffen ist.
Die Erntezeit im Wald
Oktober ist nicht nur die Zeit des Laubfalls, sondern auch die Hochsaison für die Ernte von Waldfrüchten. Dazu gehören:
Nüsse:
Walnüsse und Haselnüsse sind jetzt reif und eine wichtige Nahrungsquelle für Tiere und Menschen.
Pilze:
Steinpilze, Pfifferlinge und andere essbare Pilze sind nun reichlich vorhanden. Es ist die Zeit, um mit Körben durch den Wald zu streifen und das reiche Angebot an Pilzen zu nutzen.
Heidelbeeren und Preiselbeeren:
In höheren Lagen oder in kühleren Waldgebieten kann man noch die letzten Beeren ernten, die eine wertvolle Vitaminquelle darstellen.
Ökologische Bedeutung des Oktobers
Der Oktober im Wald ist entscheidend für das ökologische Gleichgewicht. Die Prozesse, die nun stattfinden, sichern nicht nur das Überleben der Pflanzen und Tiere, sondern auch das der gesamten Waldgemeinschaft im nächsten Jahr. Der Wald tritt in eine Phase der Regeneration ein, in der sich Nährstoffe wieder verteilen und gespeichert werden. Tiere und Pflanzen nutzen die letzten Ressourcen, um sich auf die kommenden harten Monate vorzubereiten.
Der Oktober ist also eine Zeit des Übergangs, in der das Ökosystem Wald auf erstaunliche Weise in sich selbst ruht, während es gleichzeitig alle Weichen für das Überleben im Winter und die Wiederbelebung im Frühjahr stellt.
Schlussbemerkung
Aus persönlicher Erfahrung kann ich bestätigen, dass der Oktober im Wald eine einzigartige Stimmung mit sich bringt. Die Luft ist klar, das Licht weich, und die Farben – von Goldgelb über Rot bis hin zu tiefem Braun – verwandeln den Wald in ein lebendiges Gemälde. Wenn man achtsam durch den Wald geht, spürt man förmlich, wie die Natur sich zurückzieht und Kraft sammelt. Dies ist die Zeit, um die letzten warmen Tage zu genießen, bevor der Winter die Oberhand gewinnt.
Quellen:
Kutschera, U. (2020). „Der Herbst: Warum die Blätter sich verfärben und abfallen.“ In: Biologie der Pflanzen.
Ravens, H. (2019). „Ökologische Kreisläufe im Wald.“ Springer-Verlag.
Berndt, R. (2015). „Zugvögel und ihre Wanderungen: Anpassung an die Jahreszeiten.“
Disclaimer: Bei der Ernte von Pilzen oder Waldfrüchten stets sicherstellen, dass diese essbar sind. Bei Unsicherheiten einen Experten zu Rate ziehen.
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Text und Fotos© Franz Grolig – der Waldfranz – Inhaber von Waldpädagogik-Grolig [wp-g.at](https://www.wp-g.at)