EINE REISE IN DIE VERGANGENHEIT – VENEDIG 1600 BIS WIEN 2023 1. TEIL
Giovanni del Pagliarucci, geboren um 1600, war ein Edelmann „del ordine cittadini“ und Großkaufmann in Venedig. Da zu dieser Zeit alle reichen Familien dem venezianischen Adelsstand angehörten, und die Pagliarucci zu den 24 alten Familien „case vecchie“ gehörten, die für die Venezianische Politik im 17. Jahrhundert maßgeblich waren, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch sein Sohn Peter diesem angehörte.
Eingangstürme und Zugbrücke vor dem Arsenal (Ölgemälde von Canaletto, 1732)
Sein Sohn Peter, geboren 1630, baute das Vermögen seines Vaters noch aus und erwarb eine große Flotte von Handelsschiffen.
Die Pest, die 16 Monate lang, von 1629 bis 1632 in Venedig wütete, überstanden er und sein Vater glücklicher Weise. Der Pest fielen zu der Zeit 46.000 der 140.000 venezianischen Bewohner zum Opfer.
1650 heiratete Peter Pagliarucci die Catharina von Battaglia, die er vielleicht bei einer seiner Handelsfahrten aus Sizilien, der Stammregion derer von Battaglia, nach Venedig mitgenommen hatte. (ihre genaue Herkunft ist noch ungeklärt).
Der Adelsstand verpflichtete Peter von Pagliarucci entweder zur Zahlung von 100.000 Dukaten oder zur Bereitstellung seiner Flotte für den Kriegsdienst im Kampf um die Insel Kreta gegen die Türken. Besser wäre es sicher gewesen, die 100.000 Dukaten zu zahlen, da fast die gesamte Flotte Pagliaruccis verloren ging. Mit seinem übriggebliebenen Vermögen zog er ins Görzische Küstenland, wo er von der Gräfin Torriani (Thurn und Valsassina) 1665 aufgenommen und als Schlosshauptmann auf Tybein (Duino) eingesetzt wurde.
Tybein zur Zeit des Johann Natal di Pagliarucci
Sein Sohn Johann Natal von Pagliarucci, geboren 1680, folgte seinem Vater zunächst als gräflicher Schlosshauptmann auf Duino nach. Noch auf Duino heiratete er Elisabeth von Giener, sie verstarb kurz nach der Geburt eines Sohnes noch im Ehejahr 1708.
Am 10. Juni 1712 heiratete er Katharina von Beucig, unsere Ururururururgroßmutter. Natal trat dann 1712 in den österreichischen Staatsdienst ein (Bankaldienst genannt), wobei er in Salcano und in Karfreit (Kobarit), beide in Görz-Gradisca gelegen, als Leiter der Zoll-Straßen-und Forstverwaltung Dienst tat. In Karfreit unterstand ihm insbesonders auch die Verwaltung der Predil-Pass-Straße. Er erwarb ein Haus in Karfreit.
Über seinen Sohn, Peter Anton Bartholomäus von Pagliarucci, geboren am 22. März 1720 in Salcano, konnte ich nicht allzu viel herausbringen. Er heiratete als sehr angesehener Herr („Perillustris Dominus“) am 27. November 1743 in Kamnje, Viktorija Marija Terezija Pollini de Caporeto von Sailla. Am 5. Dezember 1745 kam in Karfreit (ital.Caporetto, slov.Kobarid) ihr Sohn Natal Sigmund Ignatz Pagliarucci auf die Welt. Das war ein wirklich aufgeweckter Jüngling, der fließend deutsch, italienisch und slowenisch sprach.
Natal Sigmund Ignatz Pagliarucci
Er ging nach Wien und studierte Medizin, wo er an der Wiener Universität 1768, im Alter von nicht ganz 23 Jahren die Doktorwürde erlangte. Als Mitglied der medizinischen Fakultät in Wien, ließ er sich anfangs als Arzt in Wien nieder. Später, nach kurzem Aufenthalt in der Heimat Karfreit, ab Mai 1772 als Arzt in Laibach. Er war Landesphysikus in Krain und erhielt 1777 den Titel „Nobilis Excellmus ac Experlissimus Dnus. Med. Dor“.
In Straschisch, Pfarre S. Martini zu S.Martin bei Krainburg am 8. Mai 1777, heiratet er die 24 Jahre alte Maria Franziska Xaveria Elisabeth Jenko v. Jenkensheim, geboren in Straschisch, St. Martin bei Krainburg, am 19. November 1753.
Natal Sigmund Ignatz Pagliarucci kauft am 17. September 1792 das Schloss KIESELSTEIN in Krain um 33.000 Gulden u. 50 Dukaten (das sind nach heutigem Goldwert ca. 5,7 Millionen €, wobei der Verkehrswert der Münzen mindestens das doppelte betragen haben muss), das er schon lange vor dem Erwerb gemietet hatte;
Schloß Kieselstein heute
er war Herr auf ERSCHENOUSCHE bei Straschisch, welches er im Dezember 1789 erworben hatte,
Palais Leopoldsruhe
ihm gehörte das Palais LEOPOLDSRUHE bei Laibach (heute Cekinovgrad und slovenisches Museum für Zeitgeschichte), ein Haus GLEINITZ, Burg GALLENFELS alles in Krain, und Schloß FRANKENSTEIN (RAHMSCHÜSSL) bei Weissenberg, Völkermarkt in Kärnten. Er war Hausbesitzer in Ranciano bei Görz, Straschisch u. Krainburg. Vermutlich zählte er zu den reichsten Adeligen von Krain.
Er übernahm den von seinem Schwiegervater betriebenen ansehnlichen Handel mit Ausfuhr der in Krain erzeugten Leinen „all in grosso“ in das Ausland und eine industrielle Manufaktur von roßhaarnen Siebböden im Dorf Straschisch und dessen Nachbarschaft in Oberkrain, welche eine Anzahl von 600 Menschen Beschäftigung u. Nahrung gab. Auf seine Veranlassung wurden 1785 die Städte Krainburg u. Lack durch eine„Comerzialstraße“ (immerhin eine 23 Km lange Straße) verbunden.
Er war ständischer Verordneter in Krain; Bürgermeister von Krainburg; 1794 „D:, Medicina Doctor“.
Am 9. April 1808 wurde ihm der Landstand von Krain unter der Bedingung, dass er sich über den Ritterstand auszuweisen habe, verliehen. Am 28. März 1809 wurde ihm der erbliche-österreichische Ritterstand, „Edler v. KISELSTEIN“, mit einem Wappen zuerkannt.
Das Wappen der Pagliaruzzi von Kieselstein
Seine Frau Maria Franziska Xaveria Elisabeth Jenko v. Jenkensheim, die ihm 8 Kinder geboren hatte, starb auf Schloss KIESELSTEIN in Krainburg am 9. April 1823, im Alter von 68 Jahren.
Am 27. März 1827 wurde ihm das Krainer Inkolat zugestanden, das überhaupt nur 494 Adeligen zugestanden wurde, was bedeutet, dass er Grund und Häuser weiter vererben durfte! Das macht es möglich am 15. September 1830 seinen Töchtern Ivana (Johanna) und Antonia, verehelichte Kalker, das Schloss KIESELSTEIN zu vermachen. Alle anderen Kinder waren zu diesem Zeitpunkt entweder verstorben, hatten ihn enttäuscht oder waren, wie der Sohn Michael Angelo, gut in die alte Adelsfamilie (15. Jahrhundert) Longo-Liebenstein eingeheiratet.
Er erbaute die Kapelle am Friedhof von Krainburg; war Ehrenbürger der Stadt Krainburg, die Stadt Agram setzte ihm einen Gedenkstein.
Sigismund Natalis Ignatius Pagliarucci Edler von Kieselstein starb am 25. April 1832, auf Schloß Kieselstein, er ist in Krainburg begraben.
Es wäre nicht die Familiengeschichte meiner Mutter, wenn sie einfach glatt weiter gelaufen wäre:
Natürlich war der missratene Sohn, der bei der Schenkung der Burg Kieselstein leer ausgegangen war, Mutters Ururgroßvater Siegmund Pagliaruzzi von Kieselstein, der es geschafft hatte, mit 15 Jahren sein um 9 Jahre älteres Kindermädchen, Jožefa Romano, zu schwängern.
Diese wurde schnellstens nach Kärnten verschoben, wo sie 1808, dem stolzen Jüngling einen Sohn gebar, Mutters Urgroßvater, den Peter Pagliaruzzi von Kieselstein. Irgendwie schaffte es Siegmund die Jožefa noch einmal zu schwängern, was dann aber doch am 17. August 1809 zu einer Hochzeit führte. Höchste Zeit, da sie ihm am Tag der Hochzeit vor Schreck gleich den zweiten Sohn gebar, diesmal den dann schon Edlen Josip Emanuel Pagliaruzzi von Kieselstein. Sie gebar ihm noch 8 oder 9 weitere Kinder die aber für unsere Familie nicht weiter von Belang sind…
Da Sigismunds Vater Natal bereits Anhänger der Aufklärung und der französischen Politik war, ist es nicht verwunderlich, dass Sigismunds Name nach der französischen Besetzung von Orten (1809) aufgrund seiner offensichtlichen Frankophilie auf den österreichischen Verhaftungslisten (1810) auftauchte.
Dass Sigismunds gute Beziehungen zu den französischen Behörden gut waren, zeigt auch die Tatsache, dass Sigismund die Position des Stellvertreters des Bürgermeisteramtes von Ljubljana (Gemeinderat unter französischer Herrschaft) innehatte und bereits 1812 zertifiziertes Mitglied der Freimaurerloge von Ljubljana war, der „Französisch-illyrischen Freimaurerloge der Freunde des Königs von Rom und Napoleons“.
Im Jahr 1813 bot Sigismund dem italienischen Vizekönig Prinz Eugen (Eugène de Beauharnaiso 1781–1824) sowohl eine Residenz (angeblich im Schloss Cekin) als auch andere Unterstützung an. Nach dem darauffolgenden Krieg wurden die illyrischen Provinzen ausgelöscht und die österreichische Herrschaft wiederhergestellt. Da sich Sigismund zu diesem Zeitpunkt bereits von allen öffentlichen Ämtern zurückgezogen hatte, bereitete ihm sein Frankophileismus keine großen Probleme. Als Mitglied der Freimaurerloge überlebte er alle anderen Mitglieder und behielt auch die Dokumente und Insignien der Loge, die heute im Nationalmuseum aufbewahrt werden.
Natürlich ging es mit der Familie irgendwie weiter, sonst wären wir ja nicht da:
Dieser, jetzt dann doch veredelte Sohn von Siegismund, der Edle Peter Pagliaruzzi von Kieselstein (schreibt sich jetzt mit „zz“ statt mit „cc“), heiratet im hohen Alter von 38 Jahren (wahrscheinlich verschreckt vom Beispiel seines Vaters) die 17 Jahre jüngere Marija Drešnig, die Urgroßmutter meiner Mutter. Sie gebar dem Peter 3 Kinder. Gleich das erste Kind war dann, am 6. Februar 1847 in Untersiska in Laibach, die Großmutter meiner Mutter, die Edle Pauline Johanna Pagliaruzzi von Kieselstein.
Carl Victor Franz de Paula Pelzel von Staffalo
Um es kurz zu machen, irgendwie lernte diese den, am 4. Jänner 1824 in Zásmuky in Böhmen geborenen Carl Victor Franz de Paula Pelzel von Staffalo kennen, den Großvater meiner Mutter. Am 23. September 1871 wurde geheiratet. Das dritte Kind, Franz Martin Pelzel von Staffalo, ihr Vater, wurde am 3. Februar 1877 geboren.
Franz Martin Pelzel von Staffalo
Über ihre Onkel breiten wir lieber den Mantel des Schweigens, denn da ging es natürlich auch nicht immer ganz skandalfrei (zu mindestens nach Ansicht der Zeitgenossen) von Statten…
Franz Martin Pelzel von Staffalo setzte die Familientradition insoferne fort, als er mit Hochzeiten auch nicht viel Glück hatte. Er heiratete vorerst einmal 1912 die gleichaltrige Henriette Schrott, eine tiroler Heimatdichterin, die er in Innsbruck kennen gelernt hatte. Leider konnte Henriette keine Kinder bekommen und er ließ sich 1929 wieder von ihr scheiden. In einem Scheidungsabkommen versprach Henriette, dass sie dem Kind Erika eine Summe von 10.000 Lire oder 2760 Goldlire vermachen würde, was einem heutigen Gegenwert von ca. 40.000 € bedeutet hätte. Hätte, denn als sie 1964 starb, waren die 10.000 Lire noch etwa 40.- € wert.
Henriette Schrott-Pelzel
Einen zweiten Heirats-Versuch machte er gar nicht erst, er wollte ja nur ein Kind und hatte, durch den Militärdienst für ein Eheleben ohnehin nicht genug Zeit. Er machte mit einer Wirtin, der Augusta Anna Riffler in Hausmannstätten bei Graz, einen Vertrag über die Leihmutterschafft ihrer Tochter, der Antonia Riffler, die sie liebend gerne aus dem Haus haben wollte, da sie sich zu der Zeit gerade mit dem ehrenwerten Josef Waldegg verehelichen wollte, der (Aussage meiner Mutter) ein Auge auf ihre schöne Tochter Antonia geworfen hatte…
Der Vertrag kam zustande, Antonia wurde, in freudiger Erwartung des Babys nach Innsbruck verschickt, das Wirtshaus wurde ausgebaut, Herr Waldegg wurde von Auguste Anna Klara Riffler geheiratet. So weit, so gut! Wie gesagt, irgendwie ist unsere Familie noch heute existent…
Das Mädchen Erika kam am 10. November 1922 in Innsbruck zur Welt. Das Kind verbrachte eine Zeitlang in Innsbruck bei einer befreundeten Familie ihres Vaters, zeitweise bei Spielfeld-Strass von 1924 bis 1926. Später am Hof in Persenbeug an der Donau. Als sie 12 Jahre alt war, starb ihr Vater, Franz Martin Pelzel von Staffalo, am 12. August 1935 an Angina Pectoris. Von da an wurde sie herumgereicht, zeitweise wohnte sie auch bei ihrer Stiefmutter Henriette Schrott in Meran.