Schlacht bei Custozza 1866
Am 24. Juni, bevor noch die heiße Sonne Italiens unsere Nacken versengte, brach das Regiment Nummer 7 aus dem Nachtlager von St. Lucia auf und marschierte um 3 Uhr Früh, von einem Gewitterregen ganz durchnässt, nach Soma Campagna. Dort auf den Höhen hörte man die ersten Kanonenschüsse. Mein Regiment, in dem ich seit kurzem das 2. Bataillon kommandierte, war anfangs in Reserve gestanden und hatte den Auftrag, im Falle der Feind vordringt, den Ort Soma Campagna bis auf den letzten Mann zu halten.
Wir begannen sofort die eisernen Rechte des Krieges in Anspruch zu nehmen. Es wurden die friedlichen Einwohner aus ihren Wohnungen delogiert, die Häuser durchbrochen, schußscharten gemacht und aus dem Hausrat Barrikaden errichtet. Bis Mittag war der Ort in Verteidigungszustand gesetzt.
Die feindlichen Hohlgeschosse platzten immer näher, schlugen schon vor Soma Campagna ein und gaben das sichere Zeichen, dass das Zentrum der italienischen Armee im Vorrücken sei. Endlich kamen Verwundete und versprengte Soldaten nach Soma Campagna, ja selbst Reste der gewesenen schönsten Regimenter, welche Österreich aufzuweisen hatte, suchten da selbst einen neuen Halt, um sich zu sammeln.
Bis Nachmittag 4 Uhr schien das Schlachtenglück den Piemontesen geneigt und ihre große Anzahl drohte uns zu erdrücken, wenn der österreichische Soldat dem Italiener nicht an Mut und Ausdauer stets überlegen gewesen wäre.
Erst um halb 5 Uhr abends bekam mein Regiment den Befehl in Aktion zu treten, sich Bataillonsweise zu sammeln, den Ort Soma Campagna zu verlassen und über Casa Del Sol vorzurücken.
Ich sammelte mein 2. Bataillon und rückte als Erster ab, die beiden anderen Bataillone des Regiments folgten später nach.
Eine halbe Stunde Weges marschierten ich mit Doppelreihen in der Richtung auf Custozza im heftigsten feindlichen Geschützfeuer, doch die Hohlgeschoße platzten alle zu hoch über unseren Köpfen, oder gar nicht und bohrten sich nahe in den Boden hinein und ich verlor nicht einen Mann Marsch.
Bei Casa Il Sol bekam ich vom Generalstabs Obersten Pilsteker den Auftrag, das vorliegende Tal Staffalo zu passieren und den Monte Croce mit seinem bewaldeten Abhang wegzunehmen.
Dieser Boden, den ich jetzt betrat, war schon mit Leichen besäht und mit Soldatenblut getränkt, denn die Sarden schienen hier eine große Kraft zu entwickeln, um von da unsere Stellungen zu durchbrechen.
Ich muss sagen, dass ich nun im heftigsten Gewehrfeuer mit einer Ruhe meine Dispositionen traf, wie am friedlichen Exerzierplatz und das ruhige Anrücken meiner Tirailleure, welche meinen 3 kompakten Divisions-Maßen folgten, musste den Wällischen doch einen imponierenden Eindruck gemacht haben, denn nach einer schwierigen halben Frontveränderung rechts mit meinen Maßen, erreichte ich im ersten Anlaufe,
die stark besetzten bewaldeten Abhänge des Monte Croce, aus dessen dichten Gebüsch die Bersaglieri den sicheren Tod unter meine braven Soldaten brachten, als ich das offene Tal Staffalo passieren musste.
Ich verjagte den Feind von Absatz zu Absatz bis nahe der Kuppe des Monte Croce. Dort standen mehrere feindliche Bataillone, die ganze Dechargen in geschlossenen Fronten abgaben, so dass bei jedem Schritt fast, Tote und Verwundete unsere Abteilungen zurückließen.
Vor diesem letzten schwierigen Absatz ließ ich die ermüdeten Kolonnen halten und auf Kommando „Nieder“, rasten. Nach einigen Minuten richtete ich an mein Bataillon folgende kurze begeisternde Ansprache – „Soldaten! Mit vorzüglicher Bravour habt ihr den Feind aus dem bewaldeten Bergabhang zurückgeworfen, jetzt gilt es nur noch mit dem Bajonett die nahe Berghöhe zu erstürmen, dann ist der Sieg unser! Tapfere Kärntner auf! Vorwärts!“
Mutig folgten mir die Soldaten und geschlossen wie eine Mauer, stürzten sich meine 3 Divisionsmassen mit gefälltem Bajonett, unter dem heftigstem feindlichen Feuer, auf den Gegner, nahmen den Höhenkamm und warfen die Wällischen mit so kräftigem Anprall nach dem jenseitigen Bergabhang gegen Villafranka herab, so dass diese nicht mehr Zeit hatten, eine Batterie von 5 Geschützen mitzunehmen, welche in unsere Hände fiel.
Dieser letzte Stoß mit dem Bajonett war ein furchtbar kritischer Moment, eine unbeschreibliche Verwirrung. Das Hurra meiner Soldaten, das Geschrei des Gegners, das regellose Geknatter von tausend Gewehren, machte ein jedes Kommando unmöglich. Nachdem der Feind geworfen war und jeder Soldat sich der Todesgefahr plötzlich entrückt sah, wurde er von einem Siegestaumel erfasst, was zwar natürlich ist, doch schließlich wurde noch instinktmäßig in vielen Gemeinen auch die Habsucht rege, nachdem sie unter den toten Feinden massenhaft herumliegende Kriegsbeute vorfanden und an sich zu nehmen trachteten.
In diesem Moment hat es den Offizieren die größte Anstrengung und Energie gekostet, die an Disziplin doch gewöhnten Soldaten, durch milde, auch strenge Worte, wieder in ihre Schranken zu weisen und die Abteilungen in ihre Ordnung zu bringen. Ich kam diesmal mit einem Streifschuss an der linken Hand davon, trotzdem mich mein braver Fuchs immer an der Spitze meines Bataillons trug.
Die eroberten Geschütze wurden folglich gewendet und die Sarden mit ihren eigenen Geschoßen gegen Villafranca verfolgt.
Feindliche Lanzenreiter hielten noch lange in der Ebene aus und bedrohten die Höhen vom Monte Croce, doch da sie zu steil für eine Attacke sein mochten, wagten sie keinen Angriff mehr, um uns den errungenen Sieg zu entreißen.
Mein Bataillon, welches stehts das erste dem Regiment voraneilte und den Sieg entschied, verlor an diesem Tage 134 Tote, Blessierte und Vermisste.
Von dieser Zeit an schien die Schlacht an allen Punkten gewonnen, denn überall sah man Staubwolken gegen den Mincio sich wälzen und wenn die Armee weniger erschöpft oder ein frisches Corps noch vorhanden gewesen wäre, konnte die italienische Armee in die reißenden Fluten des Mincio gedrängt werden.
Aber todmüde waren unsere 60.000 Mann dem 110.000 Mann sardinischem Heer gegenüber, beide hatten ja bei sengender Sonnenhitze den ganzen Tag ohne Abkochen gerauft und das Menschenmögliche geleistet.
Alle Augenzeugen haben dem 7. Regiment das größte Lob erteilt, über den glänzenden Angriff, der über Val Staffalo auf Monte Croce ausgeführt wurde und welcher nebst Eroberung von 6 feindlichen Geschützen auch ein Glanzpunkt in der Geschichte des 7. Regiments bleiben wird.
Wir übernachteten als Sieger auf dem Schlachtfeld. Unter diesen Leichen und zerrissenen Pferdekadavern von Freund und Feind, schlief ich ruhig die Nacht auf der Mutter Erde, so wie im besten Gemache. Tausende von Waffen und Geräte aller Art bedeckten den, von Kugeln zerwühlten Boden, nur das Klagen und Jammern einzelner, entsetzlicher verstümmelter Soldaten bezeugte die furchtbare Wahrheit, dass noch vor kurzem hier Menschen im grimmigen Kampfe sich gegenseitig zerfleischten!
Ich bin gesund und möge Gott, dass ich in Zukunft auch so glücklich bin und einem herben Schicksal entgehe. Denn ich sage, in der Schlacht ist bestimmt, wer fallen muss und welchen Krieger den nächsten Tag dieselbe Erde deckt, welche er mit seinen Kameraden frisch und gesund betreten hatte.
Den folgenden Tag wurden die Toten gesammelt, in gemeinsamen Schächten beerdigt und sodann das Schlachtfeld verlassen, nachdem die rasche Verwesung der Kadaver einen verpesteten Geruch über die ganze Gegend verbreitete.
Ich wohne heute in einem zertrümmerten Haus unweit Custozza, schlafe auf frisch gemähtem Weizenstroh, mein Diener wäscht mir mein Hemd, ich esse in der Soldatenküche und alles erwartet mit großer Spannung Nachricht von der Nordarmee.
Am Tage nach der Schlacht bekam ich vom Kriegsministerium mein Majors Diplom zugestellt, welches Avancement mich jetzt am meisten freute.
Pelzel
Major
Custozza, 27. Juni 1866
Mittels Allerhöchster Entschließung SR- Majestät des Kaisers vom 18. Juli 1866 wurde ich, in Anerkennung hervorragend tapferer Leistungen in der Schlacht bei Custozza am 24. Juni 1866 durch Verleihung des Ordens der eisernen Krone III. Klasse mit der Kriegsdekoration ausgezeichnet. Zu Folge allerhöchster Entschließung vom 13. September wurde ich, über Ansuchen auf Grund der Ordensstatuten in den Ritterstand des österreichischen Kaiserstaates mit dem Prädikat von Staffalo erhoben.
ANMERKUNG:
Hätte ein hochadeliger Sprosse an meiner Stelle dieselbe Waffentat bei gleichzeitiger Eroberung von 6 Geschützen vollführt, es wäre ihm der Maria Theresien Orden nicht entgangen.